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Das wünsche ich mir für 2023

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Menschen aus Gießen schildern, was sie sich fürs neue Jahr erhoffen. Die Sehnsucht nach Frieden steht natürlich ganz oben. Es geht aber auch um mehr Chancengerechtigkeit und eine inklusive Gesellschaft.

Gießen. Das Jahr 2022 war zweifellos dazu angetan, die Zuversicht zu verlieren. Angesichts einer noch nicht völlig überstandenen Corona-Pandemie, anhaltendem Krieg, Inflation, Energiekrise und den daraus resultierenden Belastungen ist es wohl kein Wunder, dass eine Mehrheit der Deutschen eher pessimistisch nach vorne blickt und nicht unbedingt an ein »glückliches neues Jahr« glaubt. Das geht jedenfalls aus einer Umfrage des Hamburger Zukunftsforschers Horst Opaschowski hervor. Der Anzeiger hat daher Menschen aus Gießen gefragt, was sie sich in diesen unruhigen Zeiten für 2023 wünschen. Oft taucht dabei natürlich die Sehnsucht nach Frieden auf. Aber auch mehr Chancengerechtigkeit für junge Leute, kulturelle und soziale Teilhabe, ein barrierefreies Stadttheater und eine inklusive Gesellschaft werden genannt.

Frank-Tilo Beche r, Oberbürgermeister der Stadt Gießen : »Bevor ich mir Neues für das kommende Jahr wünsche, blicke ich auf das alte zurück und schaue, wofür ich - trotz aller Krisen - dankbar sein kann. Ich bin mir bewusst, dass ich mich persönlich für berufliche und private Zufriedenheit glücklich schätzen kann in einer Zeit, in der viele Menschen durch die aktuellen Krisen großen Belastungen ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund bin ich auch sehr dankbar für die vielen Ehrenamtlichen, die sich immer wieder für andere Menschen in unserer Stadt einsetzen. Global bleibt die Hoffnung, dass das neue Jahr denen Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung bringt, die unter Krieg und Despotismus leiden. Unserer Stadt wünsche ich, dass wir sicher durchs neue Jahr kommen und uns sozialen Zusammenhalt bewahren können. Allen Verantwortlichen in Politik und Verwaltung wünsche ich dafür ein glückliches Händchen und - bei allen Unterschieden, die eine Demokratie prägen - den nötigen Gemeinsinn. Ganz aktuell liegt mir am Herzen, dass das neue Jahr gute, zukunftsträchtige Lösungen für das UKGM und den Galeria-Standort bringt. Und uns allen wünsche ich, dass wir in einem Jahr versöhnlich auf 2023 zurückschauen können, das uns hoffentlich in vielerlei Hinsicht Entspannung gebracht haben wird.«

Polina Turiyanskaya , Studentin, Mitglied des Kreisausländerbeirats und Sprecherin der Ukrainischen Gemeinde Gießen : »Angesichts des Krieges zwischen zwei Ländern, in denen ich Verwandte habe, war das Jahr 2022 für mich eine besondere Herausforderung. Allerdings habe ich zwischen der Angst um meine Familie, der Wut auf die zunächst zögerliche Außenpolitik Europas und der Hilflosigkeit über meine neue Realität Kraft und Halt in den Menschen gefunden, die nach Beginn des Krieges nach Gießen und Umgebung gekommen sind. Sie waren und bleiben der wichtigste Treiber für die Organisation unserer Projekte. Für das kommende Jahr wünsche ich mir, dass ich die Einwohner des Landkreises Gießen noch mehr an der ukrainischen Kultur teilhaben lassen und die Kommunikation fördern kann - sei es über den Austausch in Sprachcafés, auf Kulturfesten, Demonstrationen oder über Kunst. Auch ich möchte mich in meiner Tätigkeit weiterbilden und die Kommunikation mit anderen Kulturvereinen aus verschiedenen Ländern fördern, um unser Leben noch bunter und vielfältiger zu gestalten. Abseits von Plänen für Projekte im neuen Jahr wünsche ich mir natürlich eines am allermeisten - den Frieden in der Ukraine.«

Joachim Grußdorf , Stadtverordnetenvorsteher : »2022 war ein schweres Jahr aufgrund der Gleichzeitigkeit vielfältiger Krisen: Krieg, Energiekrise, Inflation, Pandemie und nicht zuletzt die sich zuspitzende ökologische Krise. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir für 2023 einen gerechten Frieden für die Ukraine, und dass die internationale Gemeinschaft endlich wirksame Maßnahmen gegen die sich anbahnende globale ökologische Katastrophe unternimmt. Die großen Weltkrisen wirken sich selbstverständlich auch auf unsere Heimatstadt Gießen aus. Dort wünsche ich mir für 2023,

dass wir weiterhin solidarisch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und anderen Regionen aufnehmen,

dass die Energiekrise durch gemeinsame Anstrengungen bewältigt wird,

dass der ökologische Umbau unserer Stadt mit Verkehrsversuch und verkehrsarmer Innenstadt weiter Fahrt aufnimmt,

dass wir diese Herausforderungen in der Stadtverordnetenversammlung im demokratischen Diskurs lösungsorientiert diskutieren, um zu guten Entscheidungen für die Zukunft unserer Stadt zu kommen.

Ich wünsche allen Gießenerinnen und Gießenern ein gesundes, friedliches und hoffnungsvolles Neues Jahr!

Simone Sterr , Intendantin des Stadttheaters : »Ich komme ins Theater und treffe einen Mitarbeiter aus dem Malersaal. Er ist mit unserem neuen Elektro-Lastenrad unterwegs. Längst benutzt er nicht mehr das Auto, um wegen ein paar Dingen zwischen Bühne und Werkstatt zu pendeln. Das Flachdach neben dem Bühneneingang ist zum Nutzgarten geworden, bald wird daraus ein Theatercafé für Publikum und Belegschaft. Jetzt sind schon mal die Zucchini reif. Aus den Bienenkästen summt es. Der Honig kann in den nächsten Tagen geerntet werden. Die Baustelle am Haus ist etwas laut, aber da drücken wir die Ohren zu, denn hier entsteht ein Aufzug, der das Stadttheater Gießen barrierefrei macht. Am Abend strömen die Zuschauer:innen ins Große Haus an der Südanlage und ins Kleine Haus am Berliner Platz. In den Foyers wird nach den Aufführungen noch geplauscht, nachgefragt und diskutiert. Eine Zuschauerin spricht mich an: ›Ich bin nicht mit allem einverstanden, weiß vorher oftmals nicht, was mich erwartet, aber hinterher bin ich immer angeregt, zuversichtlich, manchmal sogar heiter.‹ So soll es sein. So kann es werden...«

Maximilian Stock , Gießener Stadtschulsprecher : »Nach drei Jahren Pandemie und verschiedenen einschneidenden Ereignissen im vergangenen Jahr wünsche ich mir für uns Schülerinnen und Schüler vor allem eines: Routine und ein Stück Normalität. Denn die ist wichtig, um sich wirklich auf Bildung und Schule konzentrieren zu können. In letzter Zeit befand sich Schule ausschließlich im Krisenmodus. Ich hoffe, dass sich das bald ändert, auch um Chancengerechtigkeit wiederherstellen zu können. Junge Menschen müssen zudem endlich ernst genommen werden. Das fängt damit an, ihnen Zugang zu Mitteln der demokratischen Willensbildung zu gewähren. Ein Grundsatz muss doch sein, Entscheidungen von denjenigen treffen zu lassen, die später damit leben müssen. Die Zukunft kommt und sie möchte von jungen, engagierten Menschen gestaltet werden! Ganz persönlich wünsche ich mir, dass wir Schülerinnen und Schüler - über Schulformen hinweg - weiterhin zusammenstehen und gemeinsam dafür kämpfen, sichtbar zu bleiben.«

Sigrid Unglaub , Leiterin Diakonisches Werk Gießen : »Wir leben in unruhigen Zeiten auf vielerlei Ebenen - wir haben eine Pandemie vielleicht noch nicht ganz oder doch schon überstanden, es gibt einen Krieg, der uns so nahe ist, wie es lange keiner war, und wir erleben die damit verbundenen Ängste und wirtschaftlichen Auswirkungen. Ich wünsche mir, dass wir trotz dieser Unsicherheiten den Mut und das Vertrauen in uns und unsere Mitmenschen aufbringen, eigene Meinungen auszusprechen, offen für andere zu sein, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und somit den demokratischen Diskurs lebendig mit Inhalt zu füllen und zu halten. Für uns als Diakonie wünsche ich mir, dass es gelingt, Menschen so zu begleiten und zu ermutigen, dass sie für sich neue Schritte in eine sichere und bessere Zukunft gehen können. Ohne eine Einrichtung herauszustellen, freue ich mich auf die Eröffnung der neuen ›Brücke‹ in freundlichen und den Anforderungen entsprechenden Räumlichkeiten mit vielen Gästen und einer guten Nachbarschaft. Ich wünsche mir, mit allen Mitarbeitenden und Kooperationspartnern neue Schritte zu gehen, um den Erfordernissen und Herausforderungen des neuen Jahres gerecht zu werden. Last but not least ist es ein persönlicher Wunsch, hier in Gießen gut anzukommen - sowohl, was die Stadt, aber natürlich auch was ihre Menschen betrifft.«

Maren Müller-Erichsen , Aufsichtsratsvorsitzende Lebenshilfe Gießen : »Ich wünsche mir Frieden auf der ganzen Welt, ganz besonders für die Menschen in der Ukraine - mögen sie weiter so viel Mut und Kraft haben wie bisher, Gott stehe ihnen zur Seite. Natürlich denke ich an die Menschen mit einer Beeinträchtigung, sei es körperlich, kognitiv oder psychisch. Sie alle wollen teilhaben am ganz normalen Leben in unserer Gesellschaft. Sie wollen als Kinder mit den Nachbarskindern in die Kita und in die Schule gehen. Sind sie erwachsen, wollen sie dort lernen und arbeiten, wo ihre Interessen liegen, wollen sich eine Wohnung suchen und ihren Lieblingssport treiben. Sie wollen sich verlieben und eine Familie gründen, so wie sie es von ihrer Familie und den Geschwistern kennen. Alle ihre Wünsche können aber viele von ihnen nur mit Unterstützung erreichen - von Menschen, die ihnen zugewandt sind, die sie als Mensch anerkennen und lieben. Solche Menschen brauchen wir, um eine inklusive Gesellschaft zu werden.«

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