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Dem Tier etwas Gutes tun

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Auch Vertrauen gehört zur Ausbildung. Man muss schon sicher sein, dass der Kollege den Nagel auf den Kopf trifft und nicht die Daumen der Auszubildenden. © Berghöfer

Serie Handwerk: Hufschmied? Ist das nicht eher etwas für Mittelaltermärkte? Von wegen! Der traditionsreiche Beruf hat heute allerbeste Zukunftsaussichten.

Gießen . »Die Pferde lagen mir wohl schon in den Genen«, meint Antonia Küppers, auch wenn ihre Biologielehrerin diese These wahrscheinlich nicht bestätigen würde. Und deshalb ist sie auf dem elterlichen Hof in Schweinsberg, wo sie mit ihrer Schwester aufwuchs, mittlerweile auch schon stolze Besitzerin von drei eigenen Pferden. Was lag da also näher, als einen Beruf zu erlernen, der diese Leidenschaft mit dem Broterwerb verbindet. Im August 2022 begann die 19-Jährige darum in der Pferdeklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen ihre Ausbildung zur Hufschmiedin.

Obwohl der Hufschmied sicherlich zu den ältesten Gewerben der Welt gehört - schon in der Antike erhielten das Equus der Römer eiserne Pferdeschuhe - ist er heute kein eigener Ausbildungsberuf. Darum absolviert Antonia nach ihrem Fachabitur mit dem Schwerpunkt Bautechnik auf der Adolf-Reichwein-Schule in Marburg eine Ausbildung zur Metallbauerin und Metallgestalterin mit dem Schwerpunkt Hufbeschlag.

Das ihr der Metallbau als einer doch eher von Männern geprägten Domäne liegt, habe sie schon bei einem Praktikum einem Hoch- und Tiefbau-Unternehmen gemerkt: »Das hat ganz arg Spaß gemacht«.

Sägen, Fräsen, Feilen, Bohren

Jetzt ist ihr Arbeitstag zweigeteilt. In der Berufsschule lernt die angehende Metallbauerin Werkstoffkunde in Theorie und Praxis, sprich: Sägen, Fräsen, Feilen, Bohren, also alles, was zu einer klassischen Schlosser-Ausbildung gehört; ein Berufsweg, den auch viele ihrer Mitschüler favorisieren. Metallbau ist eine Ausbildung, bei der man im Berufsleben viele Richtungen einschlagen kann. Das macht sie nach wie vor attraktiv.

Der Pfad, den Antonie eingeschlagen hat, gehört da zu den eher seltenen begangenen. Hufschmied? Das ist doch ein Beruf von vorgestern, eher was für Mittelaltermärkte, als fürs 21. Jahrhundert. So könnte man die gängigen Vorurteile zusammenfassen, die - wie alle Vorurteile - falsch sind. Der Pferdesport boomt, und die wenigen Hufschmiede, die es gibt, haben rappelvolle Terminkalender. Und im Schnitt braucht ein Pferd alle sechs bis acht Wochen einen neuen Satz Hufeisen.

Dazu kommt noch die Huf-Pediküre, denn die Gesundheitsrisiken für den Pferdefuß sind vielfältig. Ein kleiner Stein, der sich im Huf verkantet, kann bereits eine Entzündung auslösen. Wird die nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, kann daraus ein Abszess werden, der eine langwierige Behandlung nötig macht.

Ein andere Gefahr fürs Pferd ist die sogenannte Strahlfäule. Stehen Pferde zulange im Matsch oder in ihrem eigenen Kot und wird ihr Stall zu selten ausgemistet, kann sich das weiche Hufinnere durch Bakterienbefall langsam zersetzen und zum Schluss auch den harten - hufeisenförmigen - Rand des Hufs angreifen.

Ein Problem sei auch das abnehmende Verständnis in der Reiterschaft. Für so manchen Hobby-Reiter stehe das Hobby im Vordergrund und weniger die Verantwortung, die man für das Tier übernimmt, meint Antonias Ausbilderin, die Hufbeschlagslehrmeisterin Melanie Striebinger. Mit der verbringt Antonia Küppers den für sie spannenden Teil ihrer Ausbildung, und in dem muss sie jetzt erst einmal lernen, zu schmieden, zu schweißen und zu hämmern.

Allerdings sei der Anfang auch für jemanden, der sein ganzes Leben mit Pferden praktisch gearbeitet hat, schwer gewesen, räumt die junge Frau ein. Zunächst lernen angehende Hufschmiede, ähnlich wie der Humanmediziner-Nachwuchs, am toten Patienten.

Frisch vom Schlachter werden Pferdebeine geliefert, an denen man die Anatomie des Tieres kennenlernt und erste Versuche mit Hammer, Nagel und Hufeisen machen kann. »Dabei kann man wenigstens keinem Tier wehtun«, tröstet sich Antonia über den gewöhnungsbedürftigen Anblick und Geruch hinweg.

Schweißen, Hämmern, Schmieden

Auch sonst dürfen Hufschmiede nicht aus Zucker sein. Am Anfang darf die Auszubildende erst einmal nur den Huf festhalten und zuschauen, wie ihre Lehrmeisterin das macht. Das kann je nach Patient schon etwas dauern. Das ist aber nicht nur körperlich anstrengend, denn manchmal regnet es dann von oben tierisches Fallobst. Auch deshalb gilt: »Duschen muss ich jeden Abend«,

Und auch die eine oder andere kleine Blessur bleibt nicht aus, wenn man mit glühendem Eisen hantiert. »Das passiert schnell mal, dass man ein Werkstück am falschen Ende anpackt«, sagt Antonia. Auch der Funkenflug der Schlacke beschert einem regelmäßige winzige Verbrennungen. »Das gehört dazu«, meint die 19-Jährige nüchtern, die sich dennoch sicher ist, ihren Traumberuf gefunden zu haben, auch wenn sie noch ganz am Anfang ihrer mehr als dreijährigen Ausbildung steht.

Noch hat sie nicht ihr erstes eigenes Hufeisen geschmiedet, und muss sich noch mit kleineren Werkstücken begnügen. »Das ist aber wichtig. um das Metall zu verstehen«.

Aber auch sie nimmt wie jeder Handwerker am Abend eines arbeitsreichen Tages das gute Gefühl mit nach Hause, zu wissen, was man getan hat. »Und ich weiß: Ich habe dem Tier etwas Gutes getan.«

Die Ausbildungszeit zum Metallbauer beträgt in der Regel dreieinhalb Jahre. Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. Die Ausbildung findet dual in einem Meisterbetrieb und in einer Berufsschule statt. Metallbauer sollten handwerklich geschickt sein und zupacken können. Zudem braucht man technisches und mathematisches Verständnis und sollte in der Lage sein, sorgfältig zu arbeiten. Zu den vielfältigen Fertigkeiten, die man in zwei Gesellenprüfungen nachweisen muss, gehören unter anderem das manuelle und das maschinelle Feilen und Umformen von Blechen, Profilen und anderen Werkstücken sowie das Schweißen und thermische Trennen. Aber auch das Montieren und Prüfen von hydraulischen, pneumatischen und elektrotechnischen Bauteilen, die Herstellung von Metall- oder Stahlbaukonstruktionen, das Herstellen und Befestigen von Bauelementen an Bauwerken sowie das Montieren und Demontieren von Metall- oder Stahlbaukonstruktionen muss man beherrschen. Die Vergütung beträgt im ersten Ausbildungsjahr 741 Euro und steigt bis zum vierten Lehrjahr auf 952 Euro im Monat. (ib)

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Antonia Küppers (Mitte) muss am Anfang ihrer Ausbildung zur Hufschmiedin zunächst einmal ihrer Lehrmeisterin Melanie Striebinger bei der Huf-Pediküre assistieren. Fotos: Berghöfer © Berghöfer

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