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Der Kubus ist sein Spielball

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Zwischen Zeichnung und Malerei: der Berliner Christoph Kern. Foto: Schultz © Schultz

Gießen. Die aktuelle Ausstellung im Neuen Gießener Kunstverein bietet wieder einmal ein ungewöhnliches Seherlebnis. Der Berliner Christoph Kern erhellt unter dem Titel »Metamorph« zugleich die Entstehungsgeschichte seiner Arbeiten.

»Mich interessiert die ganze Bandbreite zwischen Abstraktion und barocker illusionistischer Räumlichkeit, und die kann man nur spiegeln mit einem Bildgegenstand«, berichtete Kern bei der Vernissage. So arbeitet er seit 30 Jahren an dem Konzept, einen möglichst wenig bestimmten Bildgegenstand zu finden. Ähnlich dem Lego-Prinzip seiner Kindheit entwickelte er ein modulares System, das ihm komplexere Zusammenstellungen erlaubte. Im Jahr 1992 erwarb er sein erstes 3D-Programm, mit dem er dann »sukzessive die Bewegungen, die Choreografie dieser Kuben durch den Raum choreografiert habe. Der Kubus ist mein Spielball.« Die Ausstellung sorge damit fast für eine Retrospektive seines Werks.

Kern hatte zwei Jahre die Vertretungsprofessur Kunstpraxis am Institut für Kunstpädagogik inne, war zuvor mehrere Jahre Lehrbeauftragter dort, ebenso wie an vielen Hochschulen für Malerei. Derzeit ist er wieder mit Leidenschaft freier Künstler. »Ich selbst habe vor 24 Jahren bei ihm studiert«, berichtete Ansgar Schnurr, Professor für Kunstpädagogik an der JLU, am Rande der Eröffnung. Kern lebt seit 1989 in Berlin.

An der großen Kioskwand sieht man eine Vielzahl eher kleinformatiger Zeichnungen in Mischtechnik, sie stellen die Grundlage von Kerns Malerei dar. Die von Kuben geprägten Arbeiten sind gelegentlich mit Rötel akzentuiert, besonders die größeren Formate an der kleinen Wand links wirken allerdings zumeist gar nicht wie Vorstufen, sie könnten in ihrer expressiven Lebendigkeit als eigenständige Werke bestehen. Kern bringt diese Arbeiten »in Bewegung«, indem er die verschiedenen Bildebenen im Computermedium räumlich bewegt und sich im Video »zu neuen Konstellationen verschränken« lässt.

Diese Bewegungen kann man in der hinteren Nische auf einem Monitor verfolgen, der zwei Attraktionen bietet. Zum einen ist Kerns Malerei zu sehen, zum anderen ist hier ihre Bewegung und Verschränkung sichtbar und erweist sich als höchst attraktiv, auch durch die resultierende große inhaltlich Dichte. Eine senkrechte Bildserie im Foyer kommt noch hinzu. Die Malerei besitzt eine leicht meditative Formsprache, die sich dem Betrachter vorbehaltlos öffnet. Dabei verströmen schon die Zeichnungen oft eine Bewegungsenergie, die wie Momentaufnahmen wirkt. Die malerischen Werke verströmen zuweilen einen Hauch von »unendlichen Weiten«. Es ist eine attraktive Schau.

Die Ausstellung läuft bis zum 15. April im Alten Kiosk des Neuen Gießener Kunstvereins (Licher Str. Nahrungsberg. Infos unter www.kunstverein-giessen.de.

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