»Der Preis der Befreiung wird hoch sein«
Ganz schlimm waren die ersten Wochen, bis man realisiert hatte, dass wir jetzt tatsächlich Krieg haben, mitten in Europa. Ich habe mich dann Hals über Kopf ins Ehrenamt gestürzt - und dadurch wenigstens keine Zeit mehr zum Nachdenken. Ich habe Demonstrationen gegen den Krieg vorm Rathaus organisiert, Flüchtlingen geholfen und bin mittlerweile im Kreisausländerbeirat aktiv.
Zuletzt war ich zehn Tage lang in der Ukraine, um dort für mein Studium zu forschen. Ich habe eine Frau aus Butscha getroffen, die zwei Wochen russischer Okkupation in einem Kellerversteck überlebt hat. Man kann kaum aushalten, was diese Menschen erzählen.
Ich hoffe natürlich, dass die Ukraine all ihre Territorien zurückgewinnen kann, dass Russland sich zurückzieht, aber ich weiß auch, dass das ein frommer Wunsch ist und der Preis hoch sein wird. Realistisch betrachtet rechne ich mit keinen großen Veränderungen an der Front und ich glaube auch nicht, dass sich in absehbarer Zeit etwas in Russland zum Guten wenden wird. Aber solche Einschätzungen wollen die wenigsten Ukrainer hören. Sie wollen die Hoffnung auf keinen Fall aufgeben - man verdrängt.