Der Traum von etwas Besserem

Wenn Zeit und Raum ins Rutschen kommen: Die Schauspielkomödie »Mädchenschule« feiert am Sonntag Premiere im Großen Haus des Stadttheaters.
Gießen (bj). Der Physiklehrer eines chilenischen Mädchengymnasiums sucht in seinem Klassenraum nach ein wenig Ruhe, als er plötzlich auf drei ehemalige Schülerinnen trifft. Die haben sich irgendwann vor der Polizei dort versteckt - doch dann gerieten Zeit und Raum ins Rutschen. Und es ist ihnen nicht recht klar, wie lange sie eigentlich schon an diesem Ort ausharren. Ebensowenig wissen sie, was ihr jugendliches Aufbegehren gegen die autoritäre Obrigkeit eigentlich bewirkt hat. Davon erzählt die chilenische Autorin Nona Fernandez in ihrem Schauspiel »Mädchenschule«, das an diesem Sonntag, 5. März, um 18 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters seine Premiere feiert.
Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund der von 1973 bis 1990 währenden chilenischen Pinochet-Diktatur. Doch viel braucht man über die politischen und historischen Hintergründe der 2015 veröffentlichten Erzählung nicht zu wissen, um der Handlung folgen zu können, versichert Regisseurin Anaïs Durand-Mauptit. Sie hat die zeitliche Handlung bis ins Hier und Heute verlängert - und den Stoff als Verwechslungskomödie angelegt, »in der man über ernste Themen lachen kann«, wie die Deutsch-Französin sagt. So eigne sich die knapp eindreiviertel Stunden dauernde Inszenierung für ein breites Publikum, auch 14-, 15-Jährige dürfen sich laut Durand-Mauptit angesprochen fühlen.
Motivischer Kern der Story ist schließlich der Kampf der idealistischen jungen Menschen für eine bessere Welt. Doch welche Ziele lassen sich überhaupt erreichen? Wie weit kann man dafür gehen? Und wie viel Ungehorsam verträgt die Demokratie? Das sind Fragen, die nicht nur auf eine chilenische Vergangenheit zielen, sondern angesichts von Stichworten wie Lützerath oder Klimaklebern gerade jetzt, gerade hier überaus aktuell klingen. Und natürlich zugleich einen allgemeingültigen Kern enthalten.
Die Gastregisseurin hat sich vorgenommen, diese Vorlage zugleich mit viel Tempo zu inszenieren. »Es gibt Missverständnisse, es gibt Situationskomik.«, kündigt sie an. Und zitiert Autorin Fernandez, die sich wünschte, das Stücke solle »mit der Unschuld derjenigen aufgeführt werden, die eine Reise zu den Sternen wagen«. Dem will sie folgen - und einige »magische Momente« auf der großen Theaterbühne erzeugen.
Dazu beitragen soll auch die Musik von Margarethe Zucker alias Dominik Tippelt, der als Ein-Mann-«Trickkiste« neben den fünf beteiligten Schauspielern auf der Bühne steht und mit Synthesizer, Drum Machine und Loop Station für die Klanguntermalung sorgt. Bühnenbildnerin Hilke Fomferra hat dazu eine Szenerie aus Asphalt geschaffen, die den Schulhof ebenso imaginiert wie die Straßen, auf denen die Demonstranten für ihre Forderungen unterwegs sind. Und so wie sich Weltbilder aufbrechen lassen, werde sich auch dieser Untergrund öffnen, um Neues entstehen zu lassen.