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»Der Wahnsinn sitzt in Moskau«

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Uwe Wötzel Foto: J. Zielinski © J. Zielinski

Der Gewerkschafter Uwe Wötzel sprach vor dem Verdi-Seniorenrat in Gießen über den Krieg in der Ukraine.

Gießen. »Der Wahnsinn sitzt in Moskau«, stellte Uwe Wötzel fest. »Putins Krieg« habe allerdings nicht erst im Februar 2022 begonnen, sondern bereits 2014 mit der Annexion der Krim. Der ehemalige Gewerkschaftssekretär der Verdi-Bundesverwaltung in Berlin und Begründer des internen Friedensnetzwerkes nutzte seine langjährige Erfahrung in Politik und Planung, um sich beim monatlich tagenden Seniorenrat von Verdi Mittelhessen mit den Gästen über die aktuelle Situation in der Ukraine und mögliche Wege zum Frieden auszutauschen.

Dabei erinnerte der Referent daran, dass der Krieg einige andere Konflikte überschatte, bei denen ebenfalls zivile Opfer zu beklagen seien - etwa im Jemen, in Syrien oder im »Krieg gegen das Klima«. Und natürlich habe es seit 1945 schon viele weitere Kriege mit etlichen Toten gegeben. »Der Krieg ist eine Messe der Waffentechnik«, so das Mitglied der »Initiative Abrüstung«. Die Aktien der Rüstungsindustrie würden in die Höhe schießen, während modernste Technologien, unter anderem GPS-Raketen, zum Einsatz kommen. Dadurch destabilisiere der wissenschaftliche Fortschritt das Weltklima. Ironisch merkte Wötzel an, dass das »Ramstein-Format«, eine nach dem Militärstützpunkt der USA in Rheinland-Pfalz benannte Vereinigung von 50 Ländern, welche die Ukraine unterstützen, mehr Panzerabwehrsysteme bereitgestellt habe, als es weltweit Panzer gebe.

»Gefährlicher Trend zur nuklearen Abschreckung«

Während in den zehn Jahren, die die Sowjetunion in Afghanistan kämpfte, an die 15 000 Russen gestorben seien, gingen Schätzungen für den Krieg in der Ukraine nach einem Jahr von dem Sechsfachen aus. Und da aufseiten der Ukraine mit ähnlichen Zahlen zu rechnen sei, müsse unbedingt ein Ende des Krieges herbeigeführt werden. Zumal ein Putsch gegen Putin wohl ebenso ausgeschlossen sei wie eine Kapitulation, bleibe nur noch die Möglichkeit eines Waffenstillstandes. Deshalb appelliert Wötzel dafür, an den gescheiterten Friedensverhandlungen in Istanbul anzusetzen, um Menschenleben auf beiden Seiten zu retten. Dem stehe indes die Propaganda beider Länder entgegen: Russland fasse seinen »Angriffskrieg« als »heilige Mission« auf, um eine angebliche Entnazifizierung zu garantieren, viele Ukrainer betrachteten die Russen wiederum als »Tiere«, die um jeden Preis besiegt werden müssten.

Weiterhin sieht Uwe Wötzel einen »gefährlichen Trend hin zur nuklearen Abschreckung«, darüber hinaus aber auch ein Zusammenschweißen der westlichen Staaten und eine gewachsene Bedeutung der NATO als Verteidigungsbündnis. Aufgabe der Gewerkschaften sei es, sich aktiv für Frieden einzusetzen. In diesem Zusammenhang bedauert der Referent, dass das Kriegsrecht Arbeitsrechte aushebele. Auf dieser Grundlage seien unter anderem in der Ukraine eine 60-Stunden-Woche und schwere körperliche Arbeit für Frauen rechtens.

In der anschließenden Diskussion kritisierten die Zuhörer eine ihrer Meinung nach zu einseitige Berichterstattung in den deutschen Medien. Mögliche Fehler des Westens fänden demnach nur selten Beachtung. Einig waren sie sich zudem darin, dass der Wahnsinn zwar in Moskau sitze, sich gegen Friedensverhandlungen auszusprechen, jedoch ebenso Wahnsinn sei.

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