Der Wohnungsmarkt ist leergefegt

Die Nachfrage nach Immobilien in Gießen ist im vergangenen Jahr weit höher gewesen als das kaum noch vorhandene Angebot. Darum sind auch die ohnehin schon hohen Preise weiter gestiegen.
Gießen . Die Nachfrage nach Immobilien in Gießen ist auch im vergangenen Jahr weit höher gewesen als das kaum noch vorhandene Angebot. Darum sind auch die ohnehin schon hohen Preise - wenn auch langsamer - weiter gestiegen. Das ist das Fazit des Immobilienmarktberichtes 2023. Die Neubautätigkeit, heißt es dort, sei zudem in der Stadt weiterhin rückläufig. Wurden 2021 noch 267 Wohnungen fertiggestellt, waren es im Jahr 2022 nur noch 201 Wohnungen. Für 306 weitere Wohnungen wurde die Baugenehmigung erteilt.
Die Zahl verkaufter Immobilien ist im vergangenen Jahr zwar stark zurückgegangen; weil aber die Zahl der Eigentumsübertragungen deutlich gestiegen ist, blieb die Zahl der beurkundeten Objekte mit 786 fast auf dem Stand von 2021, als 801 Objekte den Eigentümer wechselten.
Am meisten wurde Wohnungs- und Teileigentum nachgefragt. 52 Prozent der Verkäufe sind in diesem Teilmarkt zu verzeichnen. Auf den Teilmarkt der bebauten Grundstücke entfielen circa 28 Prozent und auf das Segment der unbebauten Grundstücke rund 20 Prozent der Fälle.
Ausbleibende Neubauten
Die Anzahl der Käufe von Wohnungs- und Teileigentum (319 Objekte) war dabei im Vergleich zu 2021 mit einem Rückgang von 26 Prozent deutlich fallend. Der Gutachterausschuss begründet das allerdings weniger mit einer Kaufzurückhaltung der Interessenten, sondern eher mit dem Rückgang verfügbarer Neubauwohnungen.
Bebaute Grundstücke waren 2022 im statistischen Bezirk Wieseck sowie in Gießen-Ost am meisten nachgefragt. Immer weniger Grundstücke wechseln dagegen in der Innenstadt den Besitzer. Dort hat sich die Zahl der Übertragungen binnen zweier Jahre von 30 auf 16 nahezu halbiert.
Im Vergleich zum Vorjahr ging der Handel mit Eigentumswohnungen 2022 um rund 18 Prozent zurück. Hier spiegelt sich auch die sinkende Neubautätigkeit wider. In den Stadtteilen gibt es mangels Angebot kaum einen Markt für Wohnungseigentum. In der Gemarkung Schiffenberg sowie in den Gemarkungsteilen Launsbach und Wißmar erfolgten keine Verkäufe. Sämtliche Verkäufe in Rödgen, Kleinlinden und Lützellinden kann man an einer Hand abzählen.
Der Gesamtflächenumsatz aus Kaufverträgen im Jahr 2022 hinsichtlich bebauter und unbebauter Grundstücke sank im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent auf 360 100 Quadratmeter (m²). Der Wohn- und Nutzflächenumsatz hinsichtlich Wohnungs- und Teileigentum ging gegenüber dem Vorjahr sogar um 21 Prozent auf 19 300 m² zurück. Auch der Gesamtgeldumsatz aus Kaufverträgen fiel gegenüber dem Vorjahr erneut und zwar um rund 13 Prozent auf 230,8 Millionen Euro. Daraus könne aber nicht auf fallende Preise geschlossen werden, betonen die Gutachter, weil der Rückgang beim Geldumsatz mit dem sinkenden Flächenumsatz korrespondiere.
Mögen die steigende Inflation und deutlich anziehende Baupreise potenzielle Käufer und Investoren abschrecken, auf das Preisniveau hat sich das bislang kaum ausgewirkt. Der Mittelpreis der im Jahr 2022 gehandelten frei stehenden Einfamilienhäuser bewegte sich mit rund 486 000 Euro nur leicht über dem Mittelpreis von 2021 mit rund 481 000 Euro. Der Mittelpreis der Reihen(mittel)häuser lag mit rund 335 000 Euro unverändert gegenüber dem Vorjahresniveau. Schaut man sich aber die Entwicklung seit 2014 an, zeigt sich, dass die Immobilenpreise in diesen acht Jahren deutlich angezogen haben. Der Preis etwa für ein Reihenhaus oder ein Einfamilienhaus hat sich in dieser Frist praktisch verdoppelt.
Die Kleinen zahlen am meisten
Da sich bei stagnierenden bis schrumpfenden Einkommen immer weniger Menschen die eigenen vier Wände leisten können, rückt auch die Entwicklung der Mietpreise immer stärker in den Fokus der Gutachter. Der Bedarf an marktgerechten Mietdaten ist groß: Sie werden von Banken, Maklern, aber auch Vermietern und Mietern benötigt. Aussagen über Miethöhen kann man zum Beispiel über einen (qualifizierten) Mietspiegel erhalten.
In Gießen gibt es bislang keinen Mietspiegel - erstmalig soll ein solcher 2024 veröffentlicht werden. Um diese Lücke zu füllen, wurde von Gutachtern der »Mietwertkalkulator« - kurz »Mika« entwickelt. Mika nutzt die Mietwertübersichten, die die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse für Immobilienwerte aufstellen.
Unter Mietwert versteht man in diesem Kontext die Nettokaltmiete (ohne Betriebskosten). Datenquelle für die Mietwertübersicht ist die amtliche Kaufpreissammlung. Daneben werden regional unterschiedliche weitere Quellen erschlossen. »Mika« berücksichtigt die wesentlichen Einflussgrößen auf die Höhe des Mietwertes Lage (Bodenrichtwertniveau), Baujahr, Wohnfläche und Ausstattung.
Zu finden ist »Mika regional« unter https://gds.hessen.de (Download - Immobilienwerte - Regionale Mietwertkalkulatoren - für Gießen: MIKAREGIONAL AFB MARBURG 2023). Die Online-Mietwertkalkulation ist gebührenfrei.
Die »Mika«-Daten zeigen, dass in Gießen gerade die Mieter kleinerer Wohnungen proportional am stärksten zur Kasse gebeten werden. Während in der Innenstadt für eine Wohnung unter 31 Quadratmetern monatlich 11,50 Euro je Quadratmeter berappt werden müssen, kostet dort der Quadratmeter einer viermal so großen Wohnung nur 8,50 Euro.
Wer genauere Informationen sucht, kann den 65 Seiten umfassenden Gießener Immobilienmarktbericht kostenlos im Internet herunterladen. Und zwar auf der Homepage https://gds.hessen.de (dort dann im Downloadcenter nach dem PDF » 2023-IMB_STADT GIESSEN « suchen).