Desaster oder bestmögliches Angebot?

ProBahn Mittelhessen übt heftige Kritik an den langwierigen Umleitungstrecken von Gießen in Richtung Franfurt . Der RMV weist die Vorwürfe zurück.
Gießen. Als »quasi beispielloses Desaster« und »Werk des Nichtskönnens« auf Kosten der Bürger bezeichnet der »ProBahn«-Regionalverband Mittelhessen in seiner jüngsten Pressemitteilung die aktuellen Baustellenfahrpläne der Main-Weser-Bahn in Richtung Frankfurt. Die werden nötig aufgrund der anstehenden Vollsperrung zwischen Bad Vilbel und Frankfurt-West und die damit verbundene Umleitung des gesamten Regional- und Fernverkehrs bis nach und über Hanau.
»Es reicht nicht«
Weil die Kapazitäten auf der Umleitungsstrecke über Hanau hinten und vorne nicht ausreichen würden, hätten der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und DB Fernverkehr vereinbart, dass man mit dem »Mittelhessen-Express« mit allen Zeitkarten, mit Ausnahme der 9-Euro-Tickets, zwischen Friedberg und Frankfurt-Süd die acht Fahrten in jeder Richtung pro Tag mit dem ICE ebenfalls nutzen dürfe, nicht aber vom eigentlichen mittelhessischen Kerngebiet Gießen/Marburg/Wetzlar aus.
Auch könne man nicht akzeptieren, dass der »Mittelhessen-Express« nicht die Frankfurter Stadtgrenze passieren dürften, klagt »ProBahn«. Die Züge endeten in Hanau. Ein Umstieg in die völlig überfüllten und oft deutlich verspäteten RE 50/RE 51 sei ebenso inakzeptabel, wie andere langsame Verbindungen des Regional- und S-Bahn-Verkehrs.
Es wäre besser gewesen, die aktuell aus anderen betrieblichen Gründen ausfallenden RE 58 Frankfurt-Maintal-Hanau mit ihren Trassen für die RE 40/RE 41 vorzuhalten, so dass ein größerer Teil der Mittelhessen-Express-Züge von Dillenburg/Wetzlar und Treysa/Stadtallendorf kommend, auch während der Sperrpause bis zum Frankfurter Hauptbahnhof durchfahren könne, meint die Fahrgast-Vertretung. Viele Pendler hätten durch die Umleitungsverkehre der letzten Wochen Fehlstunden auf ihren Zeitkonten, was sich während der Vollsperrung zwischen dem 9. Juli und dem 4. September noch massiv verschärfen dürfte.
Seit Jahren befindet sich der RMV-Verbundraum im Ranking der Hiobsbotschaften über Chaos im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf einem der vorderen Plätze, wenn nicht gar auf dem unglücklichen Zitronenplatz 1. Daher kann es, um wirklich eine flächendeckende Verkehrswende zu erzielen, nur noch mit neuen Personen in Verantwortung gehen, das betrifft Teile der DB und insbesondere den RMV, heißt es in der Pressemitteilung wörtlich. Es habe, mit Ausnahme des um Jahrzehnte zu spät kommenden viergleisigen Ausbaus bis Bad Vilbel/Friedberg, seit 55 Jahren keinen Ausbau mehr des Schienennetzes in der Region gegeben. In Sachen Verkehrswende und Klimawandelbekämpfung brauche man innovative Gestalter in solchen Posten und keine Bremser gesellschaftlicher Grundbedürfnisse.
Friedberg hat Vorrang
Der stellvertretende Pressesprecher des RMV, Maximilian Meyer, kann die Vehemenz der von »ProBahn« vorgebrachten Kritik nicht nachvollziehen. Richtig - und ProBahn Hessen bekannt - sei, dass der RMV sich intensiv für möglichst viele durchgehende Fahrten aus Mittelhessen nach Frankfurt sowie ein hohes Platzangebot eingesetzt habe. So seien heute die Doppelstockzüge der Linie RE 30 mit sieben statt sechs Wagen (also rund 100 zusätzlichen Sitzplätzen) unterwegs. Zudem investiere man eine hohe Summe, um die Nutzung des ICE möglich zu machen. Der Wunsch die ICE-Freigabe auszuweiten, komme für den RMV nicht überraschend. Jedoch könnten die ICE-Züge nur eine gewisse Anzahl zusätzlicher Fahrgäste aufnehmen, zudem stünden von und nach Frankfurt weiterhin stündliche RE-Fahrten zur Verfügung, womit die Anzahl der Fahrten auf dem Korridor »vergleichsweise ähnlich« gegenüber dem Regelfahrplan sei. Sowohl was die Kapazitäten angehe als auch hinsichtlich der Anzahl von Fahrten sei der Abschnitt Friedberg-Frankfurt besonders betroffen, verteidigt Meyer die begrenzte ICE-Freigabe. Schließlich bedeute bereits die jetzige Freigabe des ICE hohe Kosten für den RMV, zudem bestehe zu vielen ICE-Fahrten in Friedberg ein Anschluss von/nach Gießen.
Dass eine Weiterführung der Mittelhessen-Express-Züge über Hanau nach Frankfurt nicht möglich sei, bedauere man sehr. Es mangelt aber nicht nur an Kapazitäten auf der Schiene sondern auch an freien Bahnsteigen (etwa im Frankfurter Hauptbahnhof. wo gerade Bahnsteige saniert würden. Darauf habe man »ProBahn Hessen« am 10. Juni hingewiesen.
»Keine Substanz«
»In Summe können wir der Veröffentlichung von »ProBahn« keine substanziellen Anmerkungen entnehmen, da es sich weitestgehend um Wiederholungen bereits beantworteter Hinweise handelt und konkrete umsetzbare Vorschläge für Verbesserungen leider fehlen«, so Meyer abschließend. Sowohl bei Planung des Baufahrplans, den Abläufen und Kapazitäten, der Fahrgastinformation und Ersatzangeboten biete man den Fahrgästen unter den gegebenen Rahmenbedingungen das bestmögliche Angebot.