Die Geschichte eines Songs

Die Gießener Popband »Lebendig« spielt und sammelt für die Ukraine mit einem Song, der heute veröffentlicht wird – aber einer längere Geschichte hat. Am 26. Mai erscheint das neue Album. Live ist die Band am 9. Juni beim Lahnuferfest zu erleben.
Gießen. Manchmal ist es einfach eine Sache des Timings. Der Song »Nicht allein« zählt für Patrick Keil, Sänger der Gießener Popband »Lebendig« zu den stärksten ihres Debütalbums, das im Sommer 2022 daher auch unter diesem Titel veröffentlicht wurde. Das Problem: Mit dem ursprünglichen Text konnte das Stück damals nicht erscheinen - die Weltgeschichte kam unerwartet dazwischen. Doch die Geschichte war damit noch nicht zu Ende.
»Mit dem Song kam Ende 2021 unser Schlagzeuger Seppi (Giueseppe Cunsolo) um die Ecke«, erzählt Patrick Keil. Und der Sänger zeigte sich gleich begeistert. In »Nicht allein« geht es darum, den Menschen Mut zu machen, die Ängste und Zweifel haben. Als Metapher wählte die 2015 gegründete Band dafür das Bild des Krieges: »Da steht eine Armee vor der Tür. Lass sie nicht rein, lass sie nicht rein. / Eine Armee vor der Tür - Du bist nicht allein«, heißt es darin. Für Keil sind es starke, kraftvolle Zeilen, die das Anliegen des Lieds deutlich machen und in ein prägnantes Bild packen. Schon im Januar 2022 hatte das Gießener Quartett den Song eingespielt - doch dann begann wenige Tage später der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. »Wir waren alle geschockt«, erzählt der Sänger. »Und wir wussten: So können wir ihn angesichts der Ereignisse nicht stehenlassen, auch wenn es uns sehr, sehr schwerfiel.«
So steht auf dem Album nun stattdessen die »Angst vor der Tür«, die Sprachbilder des Krieges und der Armee wurden verändert. »Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt«, erzählt der 36-Jährige, der eine Physiotherapeutische Praxis in Kleinlinden führt. Doch nun wird das Original doch noch veröffentlicht. Am heutigen Freitag erscheint »Nicht allein« auf allen gängigen Streaming-Plattformen, auch ein Video hat die Band dazu fertiggestellt. Alle damit erzielten Einnahmen will »Lebendig« an die Aktion Deutschland Hilft spenden, die sich für die Menschen in der Ukraine engagiert.
Es ist nicht die erste Aktion der Band, um die Menschen in dem angegriffenen Land zu unterstützen. Im vergangenen Jahr haben die vier Musiker ein Straßenkonzert in der Gießener Fußgängerzone gespielt, bei dem 300 Spenden-Euro zusammenkamen, die an die in der Ukraine engagierte Hilfsorganisation GaiN gingen. Mittlerweile, schätzt Patrick Keil, können hierzulande alle besser mit den schrecklichen Schlagzeilen aus dem Kriegsgebiet umgehen. Daher sieht der Sänger einen doppelten Grund, nun doch noch die Originalversion zu veröffentlichen. »Es geht immer noch ums Mut machen. Und es geht gleichzeitig um den Bezug zu den realen Ereignissen«, begründet er diese Entscheidung. Denn Zeilen wie »Die Schlacht ist noch lange nicht vorbei« oder »Bereit zum Kampf« haben angesichts der täglichen Nachrichten aus Osteuropa tatsächlich eine doppelte Bedeutung bekommen. So wurde »das Ganze zu einer Herzensangelegenheit«, betont der Musiker.
Zudem arbeitet das Quartett, zu dem auch Gitarrist Niklas Sänger und Bassist Robin Steitz gehören, mittlerweile wieder an neuem Material. »Wir haben da einiges in der Pipeline«. Vor allem aber sei »Lebendig« eine Liveband. Und da stehen bereits eine Menge Termine im aktuellen Konzertkalender. Den nächsten Auftritt gibt es am Freitagabend, 2. Juni, auf dem Hessentag in Pfungstadt. Dann vor sicherlich einigen Tausend Menschen. In Gießen ist »Lebendig« dann am 9. Juni beim Lahnuferfest zu erleben. Einige weitere Auftritte in der Heimatstadt der Band sollen noch hinzukommen.