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Die Herzen von innen erwärmt

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Von: Thomas Schmitz-Albohn

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Unter der Leitung von Jan Hoffmann entfalteten das Philharmonische Orchester Gießen sowie die vereinten Chöre des Stadttheaters, des Gießener Konzertvereins und der Wetzlarer Singakademie die erwartete Stimm- und Klangpracht. Foto: Regel © Regel

Bachs Weihnachtsoratorium strahlt im Großen Haus unter der Leitung von Jan Hoffmann barocken Glanz aus.

Gießen. D-D-D-D-A - das sind die fünf Töne des berühmtesten Pauken-Solos der Musikgeschichte, mit denen der Eingangschor »Jauchzet, frohlocket« im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach beginnt. Für viele Menschen ist die Advents- und Weihnachtszeit ohne dieses barocke Meisterwerk, das das biblische Geschehen rund um Christi Geburt erzählt und kommentiert, geradezu undenkbar. Und wenn es zudem nicht nur zu Hause auf CD, sondern in der unmittelbaren Atmosphäre eines Konzertsaals oder einer Kirche erklingt, verstärkt die festliche Stimmung den musikalischen Genuss um ein Vielfaches.

Am Donnerstagabend erklangen im vollbesetzten Stadttheater im Rahmen der Sinfoniekonzerte die drei ersten Kantaten. Unter der Leitung von Chordirektor Jan Hoffmann entfalteten das Philharmonische Orchester Gießen sowie die vereinten Chöre des Stadttheaters, des Gießener Konzertvereins und der Wetzlarer Singakademie die vom Publikum erwartete Stimm- und Klangpracht. Draußen war es frostig kalt; da war die stimmungsvolle, anderthalbstündige Aufführung im Theatersaal so recht dazu angetan, die Herzen der Zuhörer von innen zu wärmen. Und die geizten am Ende auch nicht mit herzlichem Applaus für alle Beteiligten.

Das Werk war von Bach als Serie von sechs Kantaten gedacht, die während der Adventszeit aufgeführt werden sollten. Bei seiner Arbeit schöpfte der Komponist aus dem Schatz seiner weltlichen Kantaten, die er kunstvoll bearbeitete und um einige einzigartige neue Passagen erweiterte. So gelang es ihm, die Begebenheiten der Weihnachtsgeschichte auf bewegende Weise musikalisch darzustellen.

Hoffmann zeigte für diese Musik Bachs mit all ihrer tänzerischen Beschwingtheit und sanften Innigkeit sehr viel Feingefühl. Umsichtig und lebhaft zwischen Chor, Orchester und Gesangssolisten koordinierend, nahm Bachs musikalische Stimmungsmalerei unter seinen Händen Gestalt an und strahlte Licht und Glanz aus. Gespielt wurde zwar nicht auf historischen Instrumenten, doch in der transparenten, luftigen Musizierweise des Orchesters war in jedem Takt der Geist der Barockzeit spürbar. Im Zusammenwirken mit dem nuancenreichen Chor ergab sich ein fein ausbalanciertes Klangbild wie aus einem Guss.

Natürlich stand der Chor im Mittelpunkt, der die fromme Ernsthaftigkeit der Choräle mustergültig betonte, das polyphone Gefüge im jubelnden »Ehre sei Gott in der Höhe« klar hervortreten ließ und im Ausgangschor »Herrscher des Himmels« noch einmal eindrucksvoll zeigte, welches Potenzial in ihm steckt.

Setzt das Quartett der Gesangssolisten einer Aufführung des Weihnachtsoratoriums üblicherweise die Krone auf, so mussten in diesem Fall einige Abstriche in Kauf genommen werden. Stefanie Schaefer machte ihre Sache gut und bot mit ihrer warmen Altstimme ein eindringlich-bewegendes »Bereite dich, Zion«. Ihr »Schließe, mein Herre« in reizender Zwiesprache mit Cello (Attila Hündöl) und Geige (Ivan Krastev) gehörte zu den Höhepunkten des Abends.

Auch dem international gefragten Konzertsänger Simon Bailey gelang es, mit ausdrucksstarkem Bass und gesanglicher Agilität die Hörer für sich einzunehmen, beispielhaft im pointierten Vortrag »Großer Herr, o starker Gott«. Johannes Strauß ließ jedoch mit seinem schlanken Tenor Geschmeidigkeit und Innigkeit vermissen, und Natascha Jung, die in der Sopranpartie offenbar kurzfristig eingesprungen war, wirkte unsicher und konnte sich im berühmten Duett »Herr, dein Mitleid« (zusammen mit Simon Bailey) nicht durchsetzen.

Programmheft ohne Namen

Warum wurde das Publikum über diese Umbesetzung nicht informiert, um eventuell nachsichtiger über Natascha Jungs Leistung zu urteilen? Früher waren dem Programmheft in solchen Fällen kleine Zettel über kurzfristige Um- und Neubesetzungen beigelegt. Aber seit Beginn der neuen Spielzeit, in der offenbar alles ganz anders sein muss als zuvor, sind die Programmhefte selbst nur Zettel, die wenig Informationen enthalten. Warum zum Beispiel sind die Musiker des Orchesters nicht mehr aufgeführt? Hätten es die Flötisten, Trompeter, Posaunisten, Kontrabassisten usw. nicht auch verdient, erwähnt zu werden? Das Publikum würde es jedenfalls begrüßen, wenn es wüsste, wer was spielt.

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