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Die Themen der 50-Jährigen

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Von: Andreas Eikenroth

Hierzulande ist der Zeichner und Autor Michel Rabagliati noch relativ unbekannt. Dabei ist der Kanadier in seiner Heimat mit seiner halb-autobiografischen Graphic-Novel-Reihe um sein Alter Ego »Paul« ein Star, der vielfach ausgezeichnet wurde und dessen Geschichten auch schon verfilmt wurden. Seit mehr als 20 Jahren erzählt er vom Leben seines Protagonisten, mit all den Freuden und Widrigkeiten, die es mit sich bringt.

Der erste Band, »Pauls Ferienjob« erschien 2001 und dreht sich um seine Jugend in einem Sommercamp in den 1970ern. Dies war der bislang einzige Comic, der von Rabagliati auf Deutsch erschien. Doch jetzt hat der Wuppertaler Verlag Edition 52 den aktuellen Band »Paul zu Hause« nachgelegt.

Mit melancholischem Humor und berührender Dramaturgie beschreibt Rabagliati darin, wie sich das Leben des mit seinem Autor gealterten Paul um die 50 darstellt, von schmerzenden Schultern und eigenartigen Gartennachbarn, von Scheidung und ernüchternden Selbstversuchen beim Online-Dating. Gewichtige Themen werden dabei in lockerem Strich und bittersüßer Selbstironie umgesetzt.

Für das Verständnis der Figur ist es nicht nötig, das gute Dutzend der vorherigen Bände zu kennen. Der Zeichner führt die Leserschaft behutsam in Pauls Alltag ein, so dass man auch in vielen Situationen das eigene Leben wiedererkennt. Und so illustriert Rabagliati lakonische, poetische Parabeln in die Seiten hinein, wie den absterbenden Apfelbaum in Pauls Garten, der von Kapitel zu Kapitel mehr zerfällt und zum Symbol seines Lebens wird, das schleichend aus den Fugen zu geraten scheint.

Da der allein lebende Mann seine Bücher im eigenen Keller illustriert, hat er im Alltag wenige Kontakte, bis auf seinen kleinen Hund »Keks«, der mit seinen Kommentaren die Story zusätzlich aufheitert. Denn Pauls Ehe ist gescheitert, seine erwachsene Tochter will nach Europa auswandern und seine Mutter liegt im Sterben, was sein Einsamkeitsgefühl weiter verstärkt.

Dazu gesellen sich die körperlichen Baustellen des Alters, Zahnschmerzen, und Schnarchprobleme. Das alles könnte auch der Stoff eines dunklen Ingmar-Bergman-Films sein, aber der Ton dieser Geschichte ist keineswegs larmoyant. Rabagliati erzählt seine Story mit solch empathischem Humor, ohne seine Figur dabei zu verraten, dass der Leser dabei auch ein bisschen über den eigenen alltäglichen Unbill lacht.

Die mit grauen Flächen unterlegten Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die ein wenig an die französische Ligne Clair angelehnt sind, tragen die heitere Melancholie der Geschichte. Und so wie Paul in seinem Garten einen Baum pflanzt, damit dort bald neue Früchte wachsen, wünscht sich der Leser, dass der Verlag vielleicht auch noch die anderen Bände von Paul für den deutschen Markt erntet.

Michel Rabagliati: Paul zu Hause. 208 Seiten. 25 Euro. Edition 52.

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