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Diesel-Alternative aus Abfällen

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THM-Professor Klaus Herzog (in der Mitte) testet die von Ulrich Grotes (links) Firma Recenso entwickelte Diesel-Alternative im Versuchsmotor. Geplant ist, den Kraftstoff in einem Blockheizkraftwerk aus dem Unternehmen von Robert Völkl zu nutzen. Foto: THM © THM

Die hohe Genauigkeit der Messtechnik in den Laboren und Werkstätten der THM hat zwei Unternehmen im Gießener Labor für Fahrzeugtechnik und Kolbenmaschinen zum Test zusammengebracht:

Gießen (red). Die hohe Genauigkeit der Messtechnik in den Laboren und Werkstätten der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) hat zwei Unternehmen im Gießener Labor für Fahrzeugtechnik und Kolbenmaschinen zu einem besonderen Test zusammengebracht: Die Nutzung eines auf Abfällen basierenden Diesel-Ersatzes in einem Versuchsmotor. Der Versuch unter der Leitung von Prof. Klaus Herzog vom Fachbereich Maschinenbau und Energietechnik war erfolgreich und zeigte, dass Heizkraftwerke nicht der einzige Ort sein müssen, um Abfälle zu verbrennen.

Die Idee wurde von Robert Völkl vom Tirschenreuther Unternehmen Völkl Motorentechnik und Ulrich Grote von der Remscheider Firma Recenso an Herzog und seinen Laboringenieur Ben Falgenhauer herangetragen. Recenso hat sich im industriellen Anlagenbau auf die Konzeption und Realisierung von Systemen zur Rohstoffrückgewinnung spezialisiert - mechanisch, chemisch und in einem Biomasseverfahren. So wurden Anlagen realisiert, die aus Abfall wieder einen Rohstoff für chemische Produktionsprozesse herstellen. Inwieweit dieser Rohstoff auch als Kraftstoff in einem Dieselmotor geeignet ist, sollte untersucht werden.

Als Partner bot sich Völkl an. Der Hersteller von Blockheizkraftwerken zu Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung hat sich auf den motorischen Betrieb mit regenerativen und synthetischen Treibstoffen in Form von sogenannten Syn-Gas, E-Fuels oder Bi-Fuels spezialisiert. Bevor jedoch der neuartige Recenso-Rohstoff als Kraftstoff in einem Großmotor von Völkl verwendet wird, sollte die Kraftstoffeignung an einem kleineren Versuchmotor an der THM getestet werden. Das Recenso-Produkt besteht zu unterschiedlichen Teilen aus Hausmüll und Gewerbeabfällen. Es werden aber auch Produktionsabfälle aus der Verpackungsindustrie verwendet. Wie es sich bei der Verbrennung verhält und welche Nebenprodukte dabei entstehen, war unter anderem Beobachtungsziel.

Der verwendete einzylindrige Versuchs-Dieselmotor im Kraftfahrzeuglabor ist mit umfangreicher Messtechnik ausgestattet. So werden beispielsweise der Druck im Zylinder und die Kurbelwellenposition 100 000 Mal pro Sekunde hochgenau erfasst. Mit dieser Messtechnik lässt sich der Brennverlauf des Kraftstoffes genau analysieren.

Kraftstoff muss vorgeheizt werden

Des Weiteren wird der Betriebszustand des Motors durch zahlreiche Temperatursensoren und durch Messung der abgegebenen Leistung überwacht. Auch die Abgase werden analysiert. Die gesammelten Daten erlaubten den Rückschluss, dass der Recenso-Kraftstoff durchaus mit klassischem Diesel zu vergleichen ist. Der Kraftstoff aus Abfall müsse für den Betrieb im Motor etwas vorgeheizt werden, erklärt Herzog. Danach laufe der Motor problemlos. »Der Spitzendruck im Zylinder ist etwas geringer, aber ansonsten ist der Brennverlauf dem Dieselbetrieb sehr ähnlich«, erklärt er. Der Wirkungsgrad bei Betrieb des Motors mit dem Rohstoff aus Abfall sei allerdings drei Prozentpunkte geringer - ein guter Wert im Vergleich zur »thermischen Verwertung« der Ursprungsabfälle in einem Heizkraftwerk, so Herzog. Das Abgasverhalten sei dem von Diesel nahezu identisch. Vorerst ist die Verwendung des Produktes als Kraftstoff laut Herzog nur für den Eigenbedarf zur Energieversorgung geplant, nicht etwa als Zusatz zu gewöhnlichem Tankstellenkraftstoff. Der Versuch diene als Entscheidungshilfe, ob der Einsatz des Kraftstoffes aus Abfällen im Großmotor unter Berücksichtigung der sehr komplexen Genehmigungsverfahren sinnvoll sei. Als nächster Schritt müsste dafür ein solcher Motor unter kontrollierten Bedingungen testweise mit dem Recenso-Kraftstoff betrieben werden. »Gerne würden wir das Projekt auch weiter begleiten«, sagt Herzog.

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