Drei neue Straßennamen

Als der Name für eine neue Straße in Rödgen auf der Tagesordnung steht, gibt es Diskussionen im Stadtparlament in Gießen.
Gießen. Fritz Bauer gehört zu denen, die sich um die Aufklärung von Nazi-Verbrechen besonders verdient gemacht haben. Auf Beschluss der Stadtverordneten trägt künftig die Straße zur Erschließung des Baugebiets »Rinn’sche Grube« an der Marburger Straße seinen Namen. Zudem hat das Stadtparlament entschieden, die Erschließungsstraße zum Gebiet »In der Roos« als »Marie-Schorge-Straße« zu benennen. Der Fuß- und Radweg zwischen Philosophenstraße und dem Waldbrunnenweg heißt nun »Ludwig-Katz-Weg«.
Erinnerung an Staatsanwalt Fritz Bauer
Das Jahr 1963. Nach langer Vorarbeit beginnt im Römer der »Frankfurter Auschwitzprozess« gegen 22 Angeklagte, die in unterschiedlichen Funktionen in dem Konzentrationslager gearbeitet hatten. Maßgeblich initiiert hat ihn der damalige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Er wurde 1903 als Sohn einer jüdischen Familie in Stuttgart geboren, trat in den 20er Jahren der SPD bei und wurde nach der Machtergreifung der Nazis in einem Konzentrationslager inhaftiert. Ihm sei es aber gelungen, zunächst nach Dänemark und schließlich nach Schweden zu fliehen, heißt es in der Magistratsvorlage zu der Straßenbenennung. Nach dem Krieg kehrte Bauer nach Deutschland zurück, wo er als Generalstaatsanwalt in Braunschweig, dann in Hessen arbeitete. »Es war Fritz Bauer, der Israel den entscheidenden Hinweis gab, wo sich Adolf Eichmann versteckt hält«, ist in der Vorlage formuliert. Bauer habe in einem politischen Klima des Stillschweigens und Wegsehens »Aufklärung, juristische Richtigstellung und Verfolgung« der Naziverbrechen betrieben. An dieses Wirken des Juristen, der 1968 verstarb, erinnert in der Stadt künftig die »Fritz-Bauer-Straße«.
Die Spur von Dr. Ludwig Katz, Frau und Tochter verliert sich 1942. Bekannt ist, dass die kleine Wiesecker Familie in dem Jahr »über Darmstadt zwecks ›Wohnsitzverlegung in das Generalgouvernement‹ deportiert, das heißt in den Tod geschickt« wurde, formuliert die Magistratsvorlage. Die Todesursache der Drei sei nicht zu ermitteln. Seit Jahren hatten der Arzt und seine Familie unter Repressalien der Nazis zu leiden: Ab 30. September 1938 sei Katz die Berufsausübung als Arzt verboten worden. Wohnung und Praxis im eigenen Haus in der Keßlerstraße 15 habe er 1939 verlassen müssen. Die Familie wurde bei Ludwig Katz Mutter in der Gießener Straße 27 eingewiesen - von dort erfolgte die Deportation. Wenig später auch der Mutter.
»Dr. Ludwig Katz genoss - wie sein Vater Hermann - hohes Ansehen. Ältere Wiesecker erinnern, dass er Bedürftige in den wirtschaftlich schweren Zeiten auch ohne Honorar behandelt hat«, ist der Magistratsvorlage zu entnehmen. 1896 in Wieseck geboren besuchte Katz dort Volksschule und Realgymnasium und machte 1915 Abitur. Nach den Soldatenjahren zwischen 1915 und 1918, in der Katz eine militärische Auszeichnung erhielt, absolvierte der Wiesecker ein Medizinstudium. Danach praktizierte der 1922 promovierte Arzt in der Keßlerstraße 15.
Ortsbeirat wünscht sich Benennung von Fuß- und Radweg
Einen zwingenden Grund, den Weg von Philosophenstraße bis Waldbrunnenweg zu benennen, gebe es zwar nicht. »Wenn es jedoch der dringende Wunsch des Ortsbeirates ist, spricht auch nichts gegen eine Benennung dieses Rad- und Fußweges. Ein Namenspate könnte in diesem Zusammenhang Dr. Ludwig Katz sein«, steht in der Vorlage.
Rödgen, 25. Oktober 1964. Marie Schorge wird zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin gewählt. Vorher hat sie »eine Ausbildung an der Vogt’schen Privathandelsschule absolviert und war danach in der Kreisverwaltung Gießen, der IG-Bau-Steine-Erden sowie der Verwaltungsstelle Gießen tätig. Seit 1960 war sie Abgeordnete im Kreistag«, ist in der Vorlage nachzulesen. 1968 sei die 1924 geborene Rödgenerin wiedergewählt und zur hauptamtlichen Bürgermeisterin ernannt worden. »Frau Schorge war nicht nur für eine reibungslose Eingliederung Rödgens nach Gießen maßgeblich mitverantwortlich, sondern sie war auch eine bei der Rödgener Bevölkerung über alle Parteigrenzen hinweg anerkannte Persönlichkeit«, steht im Papier.
Während die Stadtverordnetenversammlung einstimmig für die Fritz-Bauer-Straße und den Ludwig-Katz-Weg votierte, stimmten CDU, Freie Wähler, FDP und Gigg+Volt gegen die Benennung »Marie-Schorge-Straße«. Hintergrund ist eine Entscheidung des Ortsbeirates, der sich mit den Stimmen von CDU und FW für den Namen »Triesch« ausgesprochen hatte. Es gebe Hinweise darauf, dass die Gewann westlich der Straße »In der Roos« früher »Triesch« hieß.