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Edel-Shop statt Batman-Höhle

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Von: Ingo Berghöfer

Der »Comic Dealer« ist eine Institution in Gießen. Mit dem Umzug aus der Walltorstraße an den Marktplatz hat Inhaber Dirk Hörnle die Ladenfläche verdoppelt.

Gießen . Einige hatten ja gehofft, dass ihnen ihr altes Wohnzimmer dann doch erhalten bleibt. Monat um Monat ging ins Land - und Dirk Hörnle, Inhaber des Comic-Fachgeschäfts »Comic-Dealer« in der Walltorstraße, saß entgegen seiner Ankündigung, im Oktober in neue Räume am Marktplatz umzuziehen, wie schon seit 31 Jahren und wie festge- tackert hinter seiner kleinen Theke. Dabei war er wie immer der stets freundliche Gastgeber für einen Kundenkreis, der oft besonders ist, stets aber das Besondere sucht. Rechtzeitig vor dem lukrativen Weihnachtsgeschäft war es dann aber doch soweit und inzwischen residiert der »Comic-Dealer« in einem schicken Laden vis à vis dem Stadtkirchenturm.

Die Stammkunden, die Hörnle trotz Pandemie und Inflation teilweise seit Jahrzehnten die Treue halten, haben sich mittlerweile an schicke Präsentationstische und mintgrüne Wände gewöhnt und wandeln einträchtig mit neugieriger Laufkundschaft durch die Regalreihen, in denen Spiderman, das Marsupilami oder Manga-Held Yu-Gi-Oh! locken.

Der Schritt nach vorne in einer Zeit, in der andere Geschäfte Insolvenz anmelden, wirkt gewagt und ist es doch nicht ganz. In der Subkultur der Nerds, Geeks und Cosplayer galten schon immer andere Gesetze. Und die Corona-Krise war für Dirk Hörnle sogar ein Umsatzbooster. »Gerade Schüler hatten ja viel mehr Zeit, viel Langeweile und suchten Zerstreuung. Und dafür sind Comics ideal.« Der 58-jährige passionierte Film- und Comic-Liebhaber hatte schon immer seine Hobbys zum Beruf gemacht und zunächst eine der ersten Videotheken Gießens betrieben. Rechtzeitig bevor die DVDs die alten VHS-Bänder verdrängten, machte Hörnle Anfang der 1990er den ersten Comic-Laden in Gießen auf. Damals waren Comic-Läden in einem Land, in dem man über die Früchte der Subkultur zumeist die Nase rümpfte, eine Rarität. Eine kluge Entscheidung war es auch, denn damit kam Hörnle pünktlich zum Comic-Boom im Gefolge der Batman-Filme von Tim Burton.

Batman ist auch Hörnles Held, und der kleine Laden in dem heruntergekommenen Eckhäuschen, das so gar nicht ins immer schniekere Gießen passen will, wurde seine »Bathöhle«. Den Mietvertrag hatte er damals mit Eigentümer Klaus Denninghoff geschlossen. »Ganz ohne Bürgschaft und Tamtam, der fand einfach die Idee gut.« Der Comic-Boom, in dessen Gefolge mit Karstadt und »Toontown« gleich drei engagierte Anbieter um die Gunst einer zwar ausgabefreudigen, aber eben doch begrenzten Kundschaft buhlten, ebbte wieder ab. Die Konkurrenz verschwand; was blieb, war der »Comic-Dealer«.

Auch wenn ihm das niemand glaubte, der angeranzte Hinterhof-Flair in der Walltorstraße konnte nie darüber hinwegtäuschen, dass maximal zehn Kunden gleichzeitig in den kleinen Laden passten. Und was die einen Atmosphäre nennen, wirkte auf Großeltern, die vielleicht nur mal ein Geschenk für den Enkel suchen, nicht sonderlich einladend.

»Am Ende waren es vor allem Platzgründe, warum ich mich erweitern wollte«, sagt Hörnle. Wenn ich die Alben nicht ordentlich präsentieren kann, kann ich sie auch nicht verkaufen.« Die Rechnung scheint aufzugehen. Der neue Laden in den Räumen eines früheren Modegeschäfts ist deutlich voller und doch nicht so überlaufen wie der alte. Auch die Stammkunden haben sich akklimatisiert und führen wie eh und je am Tresen ausufernde Diskussionen darüber, ob Batmans treuer Helfer Robin nun bi- oder homosexuell ist. Aus unternehmerischer Sicht hat sich für Hörnle also der Umzug aus der »Bathöhle« ins »Baxter-Building«, dem edlen Hauptquartier der Marvel-Helden »Fantastic Four«, bezahlt gemacht

Ungeklärt ist bislang noch, wie es in der Walltorstraße weitergeht. Ein Nachmieter verhandelt mit dem Eigentümer. Er hat eine nicht minder originelle Geschäftsidee als Hörnle vor 31 Jahren. Er will dort etwas eröffnen, was Gießen im Allgemeinen und dem Viertel im Besonderen fehlt: einen Döner-Laden.

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