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»Eghalanda halt’s enk zomm«

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Von: Thomas Wißner

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Tracht, Tanz und Blasmusik: So fröhlich, wie die Egerländer Gmoi am 21.Oktober 2012 im Bürgerhaus Kleinlinden ihr 60-jähriges Bestehen feierte, soll es 2023 bei einer Freiluftveranstaltung zum 70. zugehen. Foto: Wißner © Wißner

Die Egerländer Gemoi Gießen will Erinnerungen an die alte Heimat, Brauchtum und Traditionen aufrechterhalten - und das seit 70 Jahren. Nächstes Jahr soll nachträglich gefeiert werden.

Gießen. So ändern sich die Zeiten. Eingeladen wurde zu einem Treffen der Flüchtlingsverbände und Organisationen. Menschen aus aller Herren Länder waren gekommen. Unter ihnen auch Ingrid Paulus, die Vorsitzende der Egerländer Gemoi Gießen. Sie war zwar offiziell eingeladen worden, doch fühlte sie sich irgendwie fehlplatziert. Nichts gegen die Interessen und Anliegen von Flüchtlingen. Nein, das nicht. Aber die Egerländer Gemoi war noch nie ein Zusammenschluss von Geflüchteten. Vertriebene haben sich hier organisiert. In Gießen seit nunmehr 70 Jahren. Vertrieben wurden sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Rausgeworfen aus ihrer Heimat. Praktisch über Nacht, oft in nur wenigen Stunden, mussten sie wenige Habseligkeiten packen und oft unter Gewalt die Heimat verlassen. Ihre Häuser, Höfe, das Egerland. Weil sie Deutsche waren. Vertrieben in den Rest des vom Krieg zerstörten Deutschland.

Viele Vorbehalte

Die Aufnahme war keineswegs immer herzlich. Zu groß waren die Probleme im Nachkriegsdeutschland. Zerstörungen, Wohnungsknappheit, Versorgungsschwierigkeiten, Vorbehalte gegenüber den Vertriebenen mit deren Gebräuchen und Sprachen.

»Eghalanda halt’s enk zomm.« Ja, sie hielten zusammen, integrierten sich, hatten einen großen Anteil am Wiederaufbau Deutschlands. Und doch blieben sie ihrer Heimat, dem Egerland, das heute zu Tschechien gehört, verbunden. Wenn auch die Heimat verloren war, die Sprache, die Kultur und die Trachten sollen doch erhalten bleiben. So organisierten sich die Vertriebenen in Verbänden, bei den Egerländern in der Gemoi. Die Gießener Gemoi zählte 1992 immerhin mehr als 300 Mitglieder. Heute sind es noch 98. Die Zahl der Vertriebenen ist altersbedingt kleiner geworden. Das Engagement, auch des Nachwuchses, ist nach wie vor groß. Zu verdanken ist das auch zu einem großen Teil Ingrid Paulus. Seit Februar 1991 ist sie Gemoivorsteherin. Und unermüdlich in ihren Engagement. Damals, als die Egerländer Gemoi 1952 in Gießen gegründet wurde, galt es noch, das Heimweh der Mitglieder zu lindern. Die Zeiten sind vorbei.

Heutzutage wollen Ingrid Paulus und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter nur, dass die Erinnerungen an das Egerland nicht gänzlich verloren gehen. Zum Beispiel die Mundart. 50 Jahre lang hat der Mundartchor der Gemoi bei seinen Auftritten in Egerländer Tracht den Menschen viel Freude bereitet. Auch die Volkstanzgruppe war beliebt, wenn sie zur Egerländer Polka oder dem Radetzky Marsch tanzte. Bei den unzähligen Auftritten durfte natürlich »Der Schornsteinfeger aus Eger« nicht fehlen. Und überhaupt: Die Trachtenträgerinnen und Trachtenträger waren und sind beeindruckend. Nach wie vor gibt es eine eigene Zeitung, das Gemoibladel.

Die Mitglieder der Egerländer Gemoi Gießen halten Verbindung, tauschen sich aus und halten zusammen. Auch wenn die Zeiten den Egerländern nicht immer in die Karten spielen. So hatten sie jahrelang eine Heimatstube im städtischen Museum. Nach Umbauarbeiten musste sie aufgelöst werden. Doch die Egerländer geben nicht auf. Zwar mussten wegen Corona im Jubiläumsjahr Konzerte abgesagt und das 70-jährige Jubiläum konnte in keiner Form würdig begangen werden. Doch Ingrid Paulus plant für 2023 eine Freiluftveranstaltung mit Horst Nausch und den »Echten Böhmerländern«. Denn: »Eghalanda halt’s enk zomm.«

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Beim 60-jährigen Bestehen zeichnete Ingrid Paulus (links) Hermine Krug, die einzige noch lebende Gründerin, aus. © Thomas Wißner
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Die Auftritte der Egerländer Gmoi, wie beim Musikalischen Sommer auf dem Schiffenberg, sind immer wieder Publikumsmagneten. Fotos: Wißner © Wißner

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