Eigenlob kontra Schelte
Gießen . Mit den Stimmen der Koalition wurde der Haushalt für das Jahr 2023 nebst den Änderungslisten des Magistrats angenommen. Und weil die Haushaltsdebatten auch immer die Zeit der Bilanzen und Generalabrechnungen sind, ging die Opposition mit dem gleichen Elan mit Grün-Rot-Rot ins Gericht wie die Koalition sich selbst lobte.
Die härtesten Angriffe fuhr Heiner Geißler von den Freien Wählern. Die ersten Monate habe man nur gewartet, bis endlich alle Posten vergeben und alle Magistratsmitglieder gewählt worden seien. Der Wählerwille sei der Koalition unwichtig, wenn es um das interne Postengeschachere gehe. Ein vergiftetes Lob hatte Geißler für Bürgermeister Alexander Wright, der als einziger Vollgas gebe, während der Oberbürgermeister eher präsidial agiere und für die Grußworte zuständig sei.
Ins gleiche Horn stieß auch Dominik Erb von den Liberalen. Frank-Tilo Becher gefalle sich nur darin, Hände zu schütteln. Faktisch hätten die Grünen nicht nur die Kommunalwahl gewonnen, sondern auch die Macht im Rathaus. Sozialdezernent Francesco Arman von der Gießener Linken lese dagegen nur vorgefertigte Texte vor und man habe den Eindruck, dass er selbst gar nicht so genau wisse, was er da tue. Wo es viel Schatten gebe, da sei aber auch ein wenig Licht. »Die Mehrheit der Koalition ist geschrumpft. Sie ist inzwischen so hauchdünn wie die Haut des Kollegen Merz, wenn es um die Ungereimtheiten zu den Jahresabschlüssen 2017 und 2018 geht«, ätzte Erb.
Mehr aufs große Ganze und düster in die Zukunft blickte Klaus Peter Möller (CDU). Die aktuellen Krisen wie Inflation und steigende Energiepreise würden sich im kommenden Jahr dramatisch beschleunigen, prophezeite er. Und: »Sie wollen Ihre fünf Jahre nutzen, um die Stadt um jeden Preis umzukrempeln.«
»Spagat gelungen«
In der Tat war die Liste lang an Erreichtem und noch Umzusetzendem für die »ökologisch-soziale Transformation«, die Vera Strobel für die Fraktion der Grünen vortrug. Die zahlreichen Maßnahmen zur Umgestaltung des Straßenverkehrs würden die Innenstadt angenehmer und erreichbarer als je zuvor und den Einzelhandel stärker machen, versprach sie. Strobel kündigte eine Verstetigung der Umweltbildung an, um eine frühzeitige Sensibilisierung von Kindern für diese Thematik zu erreichen. Der Spagat zwischen den wachsenden Herausforderungen und einem »ausgeglichenen und zumindest genehmigungsfähigen Haushalt« sei gelungen. Die »Untergangsfantasien der Opposition« weise man dagegen klar zurück.
Auch Christopher Nübel war stolz auf das bislang Erreichte. Dass der Haushalt 2023 die höchste Vereinsförderung in der Geschichte Gießens beinhalte, erfülle ihn mit Stolz, sagte der Sozialdemokrat. Erstmals werde auch der Bau einer Schulsporthalle dank der innovativen Politik von Stadträtin Astrid Eibelshäuser durch einen privaten Bauherren realisiert.
»Wir werden den Weg der ökologischen Wende konsequent weitergehen«, betonte Melanie Tepe (Gießener Linke). Sie verwies darauf, dass die Stadt jetzt die Miete für die Tafeln übernehme und damit deren »segensreiche Arbeit« unterstütze.
Sandra Weegels (AfD) kritisierte eine »kurzsichtige und einseitige Politik« der Koalition zulasten der Familien und »eine Willkommenskultur bis zum Abwinken«.
Lutz Hiestermann (Gigg+Volt) machte auf die »dramatische und hochvolatile Situation« des Gießener Stadtwaldes aufmerksam. Dessen Zustand sei ein klares Votum gegen die Standorterweiterung von »Bieber+Marburg«.