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Ein Fest der bunten Vielfalt

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Am Bahnhof formierte sich der Demonstrationszug, der durch die Stadt bis zum Messeplatz führte. Fotos: Leyendecker © Leyendecker

Der Christopher-Street-Day in Gießen war politisches Statement und Party zugleich. Um Solidarität zu unterstreichen, wehte auch am Rathaus am Berliner Platz eine Regenbogenfahne.

Gießen. Wenn Gießen in Feierlaune ist, dann sind die Feiernden konsequent. So auch beim diesjährigen Christopher-Street-Day (CSD). Rund 1500 Personen machten in diesem Jahr darauf aufmerksam, dass zwar bereits Fortschritte gemacht wurden, doch es immer noch Nachholbedarf gibt bei der Gleichstellung zwischen heterosexuellen und homosexuellen Menschen.

Es begann langsam, nahm aber stetig Fahrt auf. Gegen 11 Uhr versammelten sich die ersten Leute am Bahnhof, wo der Zug Aufstellung nahm. Vereinzelt waren bereits Regenbogenfahnen zu sehen, schnell wurden es mehr. Spätestens um 11.45 Uhr war der Bahnhofsvorplatz voller Menschen. Menschen, die in diesem Jahr gemeinsam den Christopher-Street-Day begehen wollten.

Gründe, in diesem Jahr teilzunehmen, hatten die Teilnehmer viele. Die ausbleibende Geschlechtergerechtigkeit, der Wunsch nach mehr Rechten für homosexuelle Menschen, die Abschaffung von »antiquierten« Gesetzen wie etwa dem Blutspendeverbot für queere Menschen oder etwa der Angriff auf einen Osloer Nachtklub in der Nacht zuvor.

Zeichen setzen

Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Menschen in Partylaune waren. Sie waren zusammengekommen und das »war gut so«, betonten viele Teilnehmer. »Wir sind hier, weil wir hier sein wollen. Wir sind hier, um ein Zeichen zu setzen«, betonte etwa die Grüne Jugend Gießen. Auch die Jusos Gießen waren gekommen, um sichtbar für die Anliegen des CSD einzustehen. Doch es waren nicht die politischen Parteien, die die Straßen säumten, sondern viele, die an diesem Tag einfach sie selbst sein konnten. Wie das gemeint ist? »Am Pride Day müssen wir uns nicht irgendwie verstellen oder so. Wir können sein, wie wir möchten und wir können einfach das ausleben, was uns wichtig ist. An allen anderen Tagen haben wir immer noch das Gefühl, dass wir das alles verstecken müssen. Das kann im Jahr 2022 nicht mehr sein«, erzählte eine Gruppe Jugendliche.

Der Tross der Teilnehmer zog vom Bahnhof am Mathematikum und dem Liebigmuseum vorbei in die Frankfurter Straße.

Statt wie geplant durch den Seltersweg zu laufen, schwenkte die Menge um und lief über den Anlagenring zum Rathaus, wo ein kurzer Zwischenstopp zum Sammeln eingelegt wurde. Weiter ging es dann vom Rathaus am gerade beginnenden Sommerfest der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und dem Landgericht vorbei in die Gutfleischstraße und von dort aus auf den Messeplatz, wo neben einer Bühne auch Stände einzelner Organisationen aufgestellt waren. Pro Familia, der Ausländerbeirat oder etwa die Aidshilfe Gießen waren vertreten. Die lokale Politprominenz nutzte die Gelegenheit, um von der Bühne ein paar Worte an die Teilnehmer zu richten.

»Ich freue mich über alle, die den Weg nach Gießen gefunden haben, um mit uns den CSD zu feiern. Fröhlich, vergnügt, lebenslustig, heiter. Das ist die eigentliche Bedeutung des Wortes ›gay‹. Und das soll das Fest heute hier sein und werden«, eröffnete Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher das Bühnenprogramm. »Ich freue mich sehr, dass der CSD nach Corona-bedingten Einschränkungen wieder wie gewohnt stattfinden kann und dass ich die Ehre habe, den CSD in diesem Jahr als Oberbürgermeister zu eröffnen«, so Becher weiter. Der CSD sei ein Fest der bunten Vielfalt der Gesellschaft und zelebriert mit Stolz diese Vielfalt. »Deswegen weht vor unserem Rathaus auch die Regenbogenfahne als klares Bekenntnis unserer Stadt für Akzeptanz und Vielfalt«, sagte Becher. Nicht nur die langjährige Aidshilfe in Gießen, sondern auch weitere Gruppen hätten sich um das Thema Vielfalt verdient gemacht.

Der CSD, so Becher, sei aber auch eine politische Veranstaltung. »Eine Veranstaltung, die auf Missstände und Diskriminierung hinweist. Ich muss uns das nicht sagen, das wird uns heute in besonderer Weise bewusst. Der Anschlag auf einen queeren Club in Oslo macht sprachlos und betroffen«, sagte Becher und erinnerte in einer Schweigeminute an die Opfer.

Der Bundestagsabgeordnete Felix Döring nutzte ebenfalls die Gelegenheit, um auf die politischen Vorgänge aufmerksam zu machen. »Das ist zwar kein queerpolitisches Thema, aber dennoch ein krasser, gesellschaftlicher Fortschritt. Wir haben endlich den Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen«, rief Döring, was die Menge mit Jubel quittierte. Es könne nicht sein, dass Frauen im Jahr 2022 nicht die nötigen Informationen zur Abtreibung von ihren Ärzten erhalten könnten. »Damit ist das Thema nicht erledigt, wir werden uns auch den Paragrafen 218 vornehmen. Es ist meine feste Überzeugung, dass Abtreibungen nicht im Strafgesetzbuch geregelt sein dürfen«, betonte Döring. »Wir schaffen die gesetzliche Grundlage dafür, dass homosexuelle Menschen auch Blut spenden dürfen. Es ist längst dafür Zeit, dass das passiert«, bekräftigte der Abgeordnete.

Bis spät in die Nacht feierte die Menge eine bunte Party,. Die Polizei teilte auf Nachfrage mit, dass die Veranstaltungen störungsfrei verliefen.

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Die CSD-Teilnehmer waren in Partylaune. © Felix Leyendecker
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»Flirty Flamingo«. © Felix Leyendecker

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