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Ein Hauch von Normalität

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Von: Ingo Berghöfer

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giloka_2611_02-Weihnacht_4c © Thomas Wißner

Mit rund 60 Ständen ist der Weihnachtsmarkt 2022 ungefähr so groß wie vor der Pandemie. In diesem Jahr gibt es erstmals keine Corona-Auflagen.

Gießen . In seiner ersten Weihnachtsmarkt-Eröffnungsrede verriet Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher den Zuhörern seine Schwäche für gebrannte Mandeln. Nun, da muss das Stadtoberhaupt auch in unseren krisengeschüttelten Zeiten nicht darben. Gleich ein halbes Dutzend Buden bieten im Seltersweg und seinen Nebenstraßen seit gestern Abend und bis zum 30. Dezember diesen traditionellen Leckerbissen an.

Mit rund 60 Ständen ist der Weihnachtsmarkt 2022 ungefähr so groß wie vor der Pandemie. Die Marktbeschicker gehen mit einer Mischung aus Hoffen und Bangen in diese Wochen. Augenfälligste Veränderung zu Vorkrisenzeiten ist neben der deutlich reduzierten Festbeleuchtung an den Ständen die fehlende Eisbahn, die früher viele Kinder auf den Kirchenplatz lockte, aber auch mit Abstand der größte Stromfresser auf dem Weihnachtsmarkt war und damit nach der Zeitenwende nicht mehr zeitgemäß.

»Der Markt muss Bombe werden«

Pedro Bulut

Dass wir viel Energie einsparen müssten, gehöre zur Realität dieser Tage, sagte Becher in seiner Begrüßungsrede. Deshalb habe man sich auch schweren Herzens entschieden, auf die Eisbahn zu verzichten. Durch den Wegfall der Bahn sei aber auch ein Platz entstanden, an dem die Menschen sich vor einer kleinen Bühne versammeln könnten, auf der in den kommenden Wochen ein tolles Programm, gerade für Kinder, geboten werde.

Und auch dem heruntergedimmten Lichterglanz konnte der Oberbürgermeister gute Seiten abgewinnen: »Es braucht vielleicht gar nicht so viel Licht, damit es eine gute Stimmung gibt.« Becher lobte die Marktbeschicker, die allesamt sehr viel in LED-Beleuchtung investiert hätten, die günstiger sei und den Stromverbrauch reduziere.

Obwohl die Marktbeschicker nach eigener Einschätzung damit zwischen 25 und 90 Prozent ihrer Stromkosten einsparen, erlaubt die Stadt das Einschalten der Lichterketten und elektrischen Weihnachtssterne erst ab 16 Uhr. Das kommt nicht bei allen Standbetreibern gut an. Bei vielen überwiegt trotz der offenbar überwundenen Corona-Durststrecke die Skepsis.

»Der Markt muss Bombe werden und die Leute doppelt so viel trinken«, hofft Pedro Bulut vom »Türmchen«, der vor seinem Stammlokal einen der größten und gestern bereits sehr gut besuchten Glühweinstände des Weihnachtsmarkts betreibt. Andere sind da pessimistischer. »Die Leute müssen ihr Geld zusammenhalten. Für die wird das Leben schließlich auch immer teurer«, meint Udo Werner. Darum hat er auch wie die meisten seiner Kollegen an seinem Stand für Schoko-Früchte die Preise nicht erhöht, obwohl er deutlich mehr für Strom und Waren ausgeben muss.

»Das müssen wir halt vom Nettogewinn abziehen«, meint mit Andre Lotz eines der Urgesteine des Gießener Weihnachtsmarkts. Gespart wird an seinem Glühweinstand anderswo. »Wir benutzen jetzt nur noch eine statt früher zwei Spülmaschinen. Das geht auch, dann müssen unsere Leute halt schneller arbeiten.«

Das macht es freilich nicht leichter, Personal zu finden. Das gestalte sich zunehmend schwieriger, weil die jungen Leute und Studierende, aus denen sich an vielen Ständen das Personal rekrutiert, oft nur noch an einigen Tagen und nicht mehr durchgehend arbeiten wollten. »Ich höre da oft so Wörter wie ›Work-Life-Balance‹, die habe ich früher nicht gehört. Dennoch blickt Lotz mit Hoffnung in die kommenden Wochen, denn: »Die Hoffnung stirbt zum Schluss.« Und so hofft Laila Lorella Panz von der »Glockenschänke« auf ein baldiges Ausscheiden der deutschen WM-Kicker, »sonst kommen bloß die Frauen«, und Philipp Luft vom Stand »Wollwarm« im Gegensatz zu Robert Habeck auf einen harten Winter und eine dementsprechend hohe Nachfrage nach seinen fair gehandelten Socken und Pullovern.

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giloka_2611_03-Weihnacht_4c © Thomas Wißner
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giloka_2611_04-Weihnacht_4c © Thomas Wißner
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giloka_2611_01-Weihnacht_4c © Thomas Wißner

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