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»Ein richtig großer Wurf«

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Von: Eva Pfeiffer

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Mit dem Konzept »Stadtbus 2023+« sollen mehr Menschen in den ÖPNV gebracht werden. Archivfoto: Schäfer © Red

Neuer Nahverkehrsplan für Gießen: ADFC und VCD haben einige Verbesserungswünsche

Gießen . Mehr Menschen erreichen und sie zu einem Umstieg auf Bus oder Bahn bewegen - das ist das Ziel der Neuaufstellung des Gießener Nahverkehrsplans. Die Hoffnung der Planer: Etwa 5000 Wege, für die die Gießener derzeit noch das Auto nutzen, könnten durch das Zielkonzept »Stadtbus 2023+" auf den ÖPNV verlagert werden (der Anzeiger berichtete). Ob der Entwurf so umgesetzt wird, das muss die Stadtverordnetenversammlung entscheiden. Bei den Kreisverbänden des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) kommen die Pläne bereits gut an, denn erstmals werde »nicht nur der Status quo fortgeschrieben«, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Verbände.

»Schritt in Richtung Verkehrswende«

Die geplante Angebotsausweitung um 50 Prozent mit vielen neuen Buslinien ist aus ihrer Sicht »ein großer Schritt in Richtung der angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2035 sowie der Verkehrswende«. Durch die engere Taktung, neue Buslinien und zusätzliche Haltestellen seien bereits viele Forderungen der beiden Verbände sowie des Fahrgastbeirats im Plan aufgenommen worden. »Der Nahverkehrsplan ist erstmals ein richtig großer Wurf«, lobt Dr. Jan Fleischhauer vom ADFC Gießen die Bemühungen der Stadt. »Wir freuen uns, dass die Koalition beim Ausbau des Busnetzes Tempo macht«, ergänzt Dietmar Jürgens vom VCD Gießen.

Sehr positiv sei, dass der Plan innerhalb Gießens neue Direktverbindungen schaffe und bestmögliche Anschlüsse zwischen den Stadtbuslinien anstrebe, »sodass sich kurze und attraktive Fahrzeiten ergeben«. Dass deutlich mehr Stadtbuslinien zum Bahnhof fahren, sei ebenso eine große Verbesserung, um Pendler für den ÖPNV zu gewinnen. Die geringe Nutzung auf Entfernungen zwischen fünf und zehn Kilometern sei jedoch »eine zentrale Schwäche des Gießener ÖPNV«; dem werde auch der neue Entwurf nicht ausreichend gerecht.

Optimierungsbedarf sehen die Verbände noch beim Erreichen von Anschlüssen: An welchen Haltestellen klappen die anvisierten kurzen Umsteigezeiten? Hier wünschen sich ADFC und VCD eine Darstellung für einen Integrierten Taktfahrplan (ITF), sodass sich insbesondere auch an den Bahnhaltepunkten und zu den Regionalbussen kurze Umsteigezeiten ergeben. Das Motto »Erst der Fahrplan, dann die konkrete Linienführung« sei noch nicht ausreichend dargestellt. Wie können beispielsweise am Bahnhof die vielen neuen Buslinien an den wenigen Bussteigen abgefertigt und die Anschlüsse zu den wichtigsten Bahnlinien hergestellt werden?

Dass mit dem Konzept »Stadtbus 2023+« die »Kapazitätsgrenzen des Bahnhofsvorplatzes erreicht« werden, merken auch die Planer an. Für eine Entzerrung könne der Durchstich der Gleisunterführung auf die Lahnstraße sowie die Einrichtung eines zentrales Omnibusbahnhofes in der Lahnstraße sorgen.

Im Bereich Schwarzacker und Schlangenzahl empfehlen die Verbände einen Tausch der Linienenden. Dadurch würde die bisher bestehende Direktverbindung vom Campus Naturwissenschaften zum Bahnhof erhalten bleiben und das Wohngebiet Schlangenzahl behielte seine Direktverbindung in die Innenstadt. Laut Entwurf würde das Wohngebiet künftig durch die Linie 10 angebunden, die von dort Richtung Evangelisches Krankenhaus fährt - ohne Halt am Marktplatz oder Berliner Platz, wie es derzeit noch die Linie 3 abdeckt.

Ginge es nach ADFC und VCD sollte zudem eine der drei vorgesehenen Buslinien aus Wieseck nicht zum Bahnhof, sondern in den Bereich des Uniklinikums fahren. So könnte man »eines der größten Wohngebiete mit dem größten Arbeitgeber der Stadt« verbinden. Die Haltestelle Albert-Osswald-Platz in Wieseck ist laut Entwurf mit rund 850 Ein- und Aussteigern der am stärksten nachgefragte Stopp außerhalb der Kernstadt. Die Planer schlagen ergänzend zu den Linien 5 und 15 die neue Linie 20 vor, mit der zwei weitere Fahrten pro Stunde von Wieseck Richtung Bahnhof angeboten werden sollen - diesmal über West- und Nordanlage.

Überlastung besser vorbeugen

Genauer untersuchen sollte man laut den Verbänden auch die Fahrgastnachfrage, um sicherzustellen, dass die Überlastung einzelner Linien - etwa im Schülerverkehr oder zu den Hochschulen - nicht mehr auftritt. »Dank der automatischen Fahrgastzählungen in den Einstiegsbereichen der Busse und der parallel laufenden Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans liegen deutlich genauere Planungsdaten vor, als sie bisher ausgewertet wurden«, heißt es weiter.

Deutlichen Verbesserungsbedarf sehen die beiden Verbände bei der Haltestellenausstattung. Es fehle an Buswartehallen und Sitzgelegenheiten, außerdem sollten Umgebungs- und Liniennetzpläne an deutlich mehr Haltestellen aushängen - »gerade wenn sich in den nächsten Jahren das Liniennetz jährlich deutlich verändert«. Neu eingerichtete Haltestellen sollten sofort in hohem Standard barrierefrei und mit Buswartehalle ausgebaut werden.

Gefordert werden ferner konkrete Verbesserungsvorschläge für die Nachtbuslinien. Beispielsweise sollten Bushaltestellen an der Ecke Eichgärtenallee/Jahnstraße, Eichgärtenallee/Zinzendorfweg und am Kreisverkehr Colemanstraße/Oberlachweg (Erschließung Admiral-Music-Lounge) eingerichtet werden.

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