1. Startseite
  2. Stadt Gießen

Ein wunderbarer Abend

Erstellt:

Das renommierte New Yorker Septett »Hazmat Modine« war zu Gast auf seiner aktuellen Europatour und musizierte zum zweiten Mal in Lich. Besonders überzeugte die spielerische Leichtigkeit.

Lich . Es war schon wieder Besuch aus der großen weiten Welt im »Traumstern«. Das renommierte New Yorker Septett »Hazmat Modine« war zu Gast auf seiner aktuellen Europatour und musizierte zum zweiten Mal in Lich. Das Haus war fast voll, die Band in Beststimmung, und es wurde ein wunderbarer Abend.

Bühne gut gefüllt

Sie passten gerade alle mit allen ihren Geräten auf die Bühne: Wade Schuman (Gesang, Gitarre), Joseph Daley (Sousaphon), Pam Fleming (Trompete), Steve Elson (Saxofon), Eric Della Penna (Gitarre, Banjo), Patrick Sionard (Schlagzeug), Daisy Castro (Geige). Der Opener »Most of all« umriss schon fast die gesamte Bandbreite des musikalischen und stilistischen Spektrums dieser außergewöhnlichen Band. Sie spielten in über 30 Ländern und vor allem kommen sie jedes Jahr bis zu 35 Mal nach Europa. Irgendwie wirken sie auch wie »Welt«-Musiker, schon durch die ungewöhnliche Besetzung.

Als Bassist fungierte hochsensibel Joseph Daley, so kongenial, dass man zunächst gar nicht bemerkte, dass ein Bassist an Bord war. Schaute man einfach nur auf die Bühne, ergab sich gar kein Hinweis darauf, welche Musik hier erklingen würde: Geige, Sousaphon, zwei Bläser und Mundharmonika?

Dann wurde aber ziemlich schnell klar, wohin die Reise geht, nämlich quer durch alle Genres und Stilrichtungen. Sofort wurden Schumans überragende Fähigkeiten an der Harmonika deutlich. So schmutzig, verzerrt und einfallsreich elektronisch verändert hört man das sehr selten. Auch beherrscht er die Synthese von Gesang in und durch die »Harp« überragend und stellt so manchen sehr guten Mundharmonikaspieler in den Schatten. Eine hervorragende Geschlossenheit (»Tightness«) ausnahmslos aller Musiker verstärkte den absolut meisterlichen Eindruck. Auch der zweite Hauptakteur Eric Della Penna ließ schon auf der Gitarre so viele Stilrichtungen hörbar werden, dass er eigentlich gar kein Banjo brauchte, um so zu klingen. Nebenbei singt er auch noch. Unaufdringlich, doch unüberhörbar und sofort kamen Trompeterin Pam Fleming und Saxofonist Steve Elson rüber: So knackig und strahlend wie sie setzen nicht viele ihre Akzente. Auch Soul und Funk kamen im Laufe des Abends zu ihrem Recht. Und Fleming machte gelegentlich mit geradezu delirierenden Soli auf sich aufmerksam.

Durchgehend tanzbare Musik

Schon im zweiten Titel (»Lonely man«) erfuhr man, wie »Modine« die Tanzbarkeit neu definierten. Ein unerhört sinnlicher Groove wurde da gekrönt von einem formidablen Harpsolo, der ganze Laden kam in Fahrt, und Daley ließ das Sousaphon geradezu singen. Mittlerweile spürte man, welches das Rezept dieser Band und ihres Materials ist. Zunächst mal eine durchgehende Tanzbarkeit, die sich bis ins Unwiderstehliche steigern kann (»Crust of bread«). Die Zuschauer begannen bald, im Gang zu tanzen und sich heftig zu bewegen - man erinnerte sich an vergangene Zeiten, als bei Konzerten noch die Hälfte aller Zuhörer auf den Beinen war; Auch im Parkett wippte und schwang man mit.

Das Geheimnis der Band ist ihre Vielfalt: »Hazmat Modine« schillern in allen musikalischen Farben, und sie vibrieren vor Spielfreude. Dabei entdeckt man im Repertoire die wichtigsten Genres wie Blues, Pop, Gospel, Cajun, Bluegrass, Rock (besonders in der Mundharmonika) und nicht zuletzt Klezmer und Soul, besonders in Schumans Gesang. Sie fügen das zu einem nahtlosen Gebilde zusammen, das bei aller Vielfalt vollkommen stimmig ist - und ein perfektes kommerzielles Potenzial besitzt. Besonders einnehmend war die spielerische Leichtigkeit, die man hier spürte.

Dazu gehört auch die exzellente Kompetenz aller Mitspieler, allen voran Bandleader Schuman. Abgesehen davon, dass er den schmutzigsten, schillerndsten Harpsound hat, den man sich vorstellen kann, ist er auch ein hervorragender Komponist und angenehm narrativer Sänger. Gemeinsam mit dem süffigen Bläsersound, den er mit der Harp zuweilen erweitert, war das eine Kraft, die direkt in den Körper ging, einen erfüllte, in Bewegung brachte oder beides.

Auch interessant