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Eine Bühne, die sie liebt

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Holte diesmal den Bassisten Chris Sellman und die Sängerin Hanne Kah mit auf die Bühne: US-Musikerin und Grammy-Gewinnerin Sonia Rutstein (Mitte). Foto: Schultz © Schultz

Gießen (hsch). Eine gute alte Bekannte war zurück in Gießen: US-Liedermacherin Sonia Rutstein machte Station in der Reihe »Musik bei Vitos«. Sie spielte einfach und geradeaus, doch auf inhaltlich und handwerklich professionellem Niveau. Und mit einer persönlichen Ausstrahlung und Wärme, die selten ist. Die Stimmung in der Kapelle war denn auch etwas ganz Besonderes.

Grammygewinnerin Rutstein, Jahrgang 1959, kommt regelmäßig nach Deutschland, besucht die Musikmesse und häufig auch die Vitos-Kapelle. Die Liedermacherin aus Baltimore begeistert seit mehr als 30 Jahren weltweit das Publikum. Sie veröffentlichte 18 Alben, die sie über eine Million Mal verkaufte. Und teilte die Bühne mit vielen ihrer Helden wie Bruce Springsteen, Peter, Paul & Mary, Billy Bragg, Sarah McLachlan, Emmy Lou Harris oder Sheryl Crow. Die Erwähnung ihres Cousins Robert Zimmermann alias Bob Dylan hat sie nicht nötig, das weiß man eben.

An diesem Abend trat sie mit den sensiblen Bassisten Chris Sellman auf, was den Sound ihrer Gitarren angenehm ins Volle rundet. Zudem holt sie für ein paar Titel die deutsche Sängerin Hanne Kah dazu, Tontechniker Hugo liefert später mit der Mundharmonika ein paar hörenswerte Beiträge, während ihn Rutstein und Sellman begleiteten.

Rutstein ist eine ausdrucksvolle Sängerin, die ihre leicht raue Stimme bestens zu gebrauchen weiß und ihre Gitarre souverän einsetzt. Angenehmerweise spielt sie sehr vielseitig, was das Zuhören kurzweilig und anregend macht. Hinzu kommen ihre humanistisch und politisch engagierten Texte. Die lassen sich schwer festlegen, klar ist jedenfalls, dass Rutstein nichts heilig ist außer der Menschenwürde und vielleicht dem Weltfrieden. So machte sie sich in »Bring your own God« über die Beliebigkeit religiöser Idole lustig und feierte in »Abraham« diverse Helden der Menschlichkeit wie Mutter Teresa und Martin Luther (»They brought us to the mountain, we just stood there«). Hinzu kamen viele unverbrauchte Harmonien, eine der Stärken der Musikerin.

Am eindrucksvollsten war vielleicht das Lied »By my silence«, das auf Martin Niemöllers Redewendung zum Schweigen bei der Verfolgung vieler Nazi-Opfer fußt (»Als sie die Kommunisten holten, schwieg ich, denn ich war keiner«). Hier zeigt Rutstein ihre demokratische Grundeinstellung. Der Faschismus komme wieder hoch, warnte sie. Aus dem Mund der Amerikanerin hatte das ein besonderes Gewicht.

Ansonsten herrschte eine ausgesprochen familiäre Stimmung, was an Rutsteins warmherziger, zugewandter Ausstrahlung liegt (»I love to be in this place«). Ansonsten kam nicht selten Humor ins Spiel, etwa in dem fröhlichen »I was Teaching Vincent van Gogh how to play the piano«.

Direkten Bezug zu einem von Polizisten verursachten Todesfall durch Ersticken fand sich in »I can’t breathe«. Dabei kam als Gastsängerin Hanne Kah auf die Bühne. Das abschließende »Moment of glory« erhielt donnernden Applaus von den begeisterten Zuhörern. Und mit den exzellenten Zugaben mit Kah, Leonard Cohens »Halleluhja« und John Lennons »Imagine«, war endgültig ein Stadium der umfassenden Freude erreicht.

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