Einkaufen auf Knopfdruck

Wenn am Sonntag mal wieder die Milch fehlt, muss man in Gießen bald nicht mehr zur Tankstelle.
Gießen . Wer kennt es nicht? Ausgerechnet am Sonntagmorgen ist die Milch für den Kaffee alle oder man hat beim Wocheneinkauf genau die Zutat vergessen, die am Abend für das spontane Kuchenbacken fehlt. Wer sich dann nicht auf seine Nachbarn verlassen kann oder will, dem bleibt außerhalb der regulären Öffnungszeiten nur der Gang zur Tankstelle oder in den »Späti«. In Gießen gibt es aber bald noch eine Option: Den Automaten-Supermarkt von Kenan und Sven Eren.
Noch verrät in der Südanlage 20 nichts, was hier bald entstehen soll. Die ehemaligen Räume von »Farca’s Pizza« wurden komplett saniert, die Raumaufteilung geändert. Bald steht die Lieferung der acht Automaten an. Aus ihnen kann die Kundschaft voraussichtlich ab der zweiten Mai-Hälfte die fehlende Milch oder das Mehl für den Kuchen ziehen. »Das Sortiment wird natürlich nicht so groß wie in einem klassischen Supermarkt«, erklärt Kenan Eren. Er und sein Cousin wollen den Fokus vor allem auf Getränke, Molkereiprodukte, aber auch auf Vorratsschrankklassiker wie Mehl legen.
Regionales und US-Snacks
Da wo es möglich ist, sollen die Waren aus der Region kommen, außerdem werde es eine Auswahl US-amerikanischer Snacks geben. »Wir haben uns vorab bei Tankstellen und Supermärkten umgehört, welche Produkte besonders gefragt sind.« Preislich werde man zwischen Supermärkten und Tankstellen liegen. Für die Mitarbeiter der umliegenden Büros und Geschäfte ist ein automatisierter Kühlschrank in Planung, in dem es beispielsweise Bowls und Wraps für die Mittagspause geben soll.
Die Besonderheit: Der kleine Markt in der Südanlage kommt ohne Personal aus und hat fast rund um die Uhr geöffnet: von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts. »Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, durchgehend zu öffnen«, betont Kenan Eren. Mit der vierstündigen Schließung soll verhindert werden, dass sich ungebetene Gäste dauerhaft in dem Raum niederlassen. Anders als im regulären Supermarkt müssen die Kunden ihre ausgewählten Produkte nicht zentral an einer Kasse, sondern an dem jeweiligen Automaten bezahlen. Neben Bar- und Kartenzahlung werde auch kontaktloses Bezahlen möglich sein.
Apropos kontaktlos: Auch wenn mittlerweile fast alle Corona-Beschränkungen aufgehoben wurden, fühle sich nicht jeder wohl damit, hat Kenen Eren festgestellt. Der automatisierte Supermarkt sei daher auch eine Möglichkeit, Abstand zu halten. Die Geräte werde man täglich desinfizieren. Auch das Befüllen übernehmen die Cousins selbst. »Dann sehen wir direkt, welche Produkte besonders stark nachgefragt werden.«
Zusätzlich wollen die Betreiber einen »Feedbackkasten« anbringen, in dem die Kunden Produktwünsche oder Verbesserungsvorschläge hinterlassen können. Auch eine Nachbarschaftsbefragung ist geplant, um einen besseren Überblick über die Bedarfe rund um den neuen Laden zu bekommen. Für diejenigen, die mit dem Auto kommen, wird es drei Stellplätze in der Hofeinfahrt geben. Die Cousins erwarten jedoch, dass die meisten ihrer Kunden zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein werden. Für die Zweiräder sind ebenfalls Stellflächen vorgesehen.
Die Idee, neben Schokoriegeln und Colaflaschen auch andere Lebensmittel in Automaten anzubieten, ist nicht gänzlich neu - auch Landwirte setzen mittlerweile auf Automaten, um etwa Eier oder Milch rund um die Uhr anbieten zu können. Über einen Bekannten seien sie auf eine Messe in München aufmerksam geworden, auf der alles rund um das Shopping ohne Personal vorgestellt wurde. »Ich war sehr fasziniert, welche Möglichkeiten es inzwischen gibt«, erinnert sich Kenan Eren. Auch in ihrem Umfeld sei die Idee eines kleinen automatisierten Supermarktes gut angekommen.
Dass er nun real wird, ist aber auch ein wenig dem Zufall zu verdanken. Denn die 25-Jährigen waren auf der Suche nach einer Bürofläche: Kenan ist gelernter Steuerfachangestellter, Sven Kfz-Gutachter. »Nur als Büro oder nur als Supermarkt war die Fläche zu groß.« Also wurden Wände eingezogen, für beide Nutzungen gibt es separate Eingänge. Auch die Lagerräume für die tägliche Neubefüllung der Automaten sind vor Ort untergebracht.
Die Nutzung der Automaten soll einfach und selbsterklärend sein, außerdem werde es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung geben. Die Cousins hoffen, mit ihrem Angebot nicht nur junge Menschen zu erreichen. Und wenn beim Einkauf doch mal etwas schiefgeht? Dann hilft auch im personallosen Supermarkt der Mensch: per Telefon.
