Einreisesperre für mutmaßliches Opfer

Eine rassistische Beleidigung in einem TikTok-Video hat einem Gießener Polizisten reichlich Ärger eingebracht. Das mutmaßliche Opfer ist jedoch auch kein unbeschriebenes Blatt.
Gießen (bl). Die Veröffentlichung eines TikTok-Videos hat einem Gießener Polizisten strafrechtliche Ermittlungen und ein Disziplinarverfahren eingebracht. Der junge Mann, den er bei einer verbalen Auseinandersetzung am Berliner Platz gut hörbar rassistisch beleidigte, ist allerdings auch kein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 2019 wurde der Albaner verurteilt und Mitte 2020 in seine Heimat abgeschoben, bestätigt Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger, Pressesprecher der Gießener Strafverfolgungsbehörde, auf Anfrage des Anzeigers. Details, was ihm vorgeworfen worden ist und wie die Strafe ausfiel, nannte Hauburger indes nicht.
Nach einem Hinweis per E-Mail machte das Polizeipräsidium Mittelhessen den Vorfall vor zwei Wochen selbst öffentlich. Die knapp zehnsekündige Videosequenz zeigt den Beamten, der in der Polizeidirektion Gießen tätig ist, in einem Wortgefecht mit einer nicht erkennbaren, filmenden Person. Schließlich fordert er sein Gegenüber rüde auf: »Geh’ in Dein Schweineland zurück.« Polizeipräsident Bernd Paul bezeichnete die Äußerung als »völlig inakzeptabel und niemals hinnehmbar«. Zudem versprach er eine lückenlose und konsequente Aufklärung.
Die Staatsanwaltschaft Gießen hat den Fall übernommen. Bislang habe sich der Beschuldigte »noch nicht zur Sache eingelassen«, so Hauburger. Auch gebe es noch keine neuen Erkenntnisse zu den genauen Umständen des Disputs, der sich nach Angaben des mutmaßlichen Opfers bereits im November 2018 ereignet haben soll. Insofern bleibt weiterhin unklar, ob es sich zum Beispiel um eine polizeiliche Kontrolle handelte und wenn ja, ob ein bestimmter Anlass dafür vorlag - und was der unstreitigen rassistischen Beleidigung möglicherweise vorausgegangen war.
Gegenüber hessenschau.de hatte der Empfänger der verunglimpfenden Botschaft erklärt, der Polizist habe ihn seinerzeit ohne Grund geschubst und beschimpft, als er lediglich auf Albanisch mit seiner Familie telefoniert habe. Auf der Wache sei ihm später obendrein sein Handy abgenommen worden. Weiterhin berichtete er von wiederholt erfolglosen Versuchen, Strafanzeige gegen den Beamten zu erstatten. Ein Kollege habe dies sogar explizit abgelehnt. Laut Hauburger sind auch diese Anschuldigungen »Gegenstand der aktuellen Ermittlungen«. Sollten sich »konkrete Hinweise auf strafbares Fehlverhalten von Beamten ergeben«, werde dem selbstredend von Amts wegen nachgegangen, hatte zuvor schon sein Stellvertreter, Staatsanwalt Rouven Spieler, versichert.
Da sich der junge Mann in Albanien aufhält, konnte er bisher noch nicht vernommen werden, »weil der internationale Rechtshilfeweg eingehalten werden muss«, erläutert Thomas Hauburger. Derartige Maßnahmen mit Auslandsbezug dauerten in der Regel einige Monate, zumal »eine Vielzahl von Formalien zu beachten sind«. In Deutschland könne er jedenfalls momentan nicht angehört werden, denn es liege aufgrund eines bestehenden Vollstreckungshaftbefehls eine Einreisesperre vor. Sollte er das ignorieren und zurückkehren, »kann die Vollstreckung nachgeholt werden«, wie es in der Strafprozessordnung (Paragraf 456a) heißt. Er müsste dann also ins Gefängnis.