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Einwohner statt Bürger

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Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Stadt jetzt eine überarbeitete Beteiligungssatzung. Foto: Scholz © Scholz

Der Gießener Magistrat hat die Bürgerbeteiligungssatzung überarbeitet. Die Stadtverordneten haben der neuen Fassung zugestimmt.

Gießen. Anfang 2022. Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher ist gerade im Amt. Als bekannt wird: Teile der Bürgerbeteiligungssatzung sind unwirksam. Eine Überarbeitung soll her - über ein Jahr nach der maßgeblichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs haben die Stadtverordneten dem Papier am Donnerstag mit Koalitionsmehrheit zugestimmt. Das Regelwerk heißt jetzt »Satzung zur Beteiligung der Einwohnerschaft der Universitätsstadt Gießen«. Er sei zufrieden mit der Überarbeitung, weil »ein Instrument der demokratischen Kultur - nachdem es ja schon wichtige Impulse in unserer Stadt setzen konnte, aber nach Beanstandung und Urteil des Verwaltungsgerichtshofes an einer Hürde zu scheitern drohte - jetzt neu auf die Schiene gesetzt werden kann«, erklärte der OB. »Eines der Hauptanliegen der ehemaligen Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz war die Bürgerbeteiligungssatzung. Diese Satzung, das ist Fakt, ist krachend gescheitert«, entgegnete Frederik Bouffier von der CDU. Anträge der Opposition scheiterten.

Petition ersetzt den Antrag

Die Änderungen der Satzung, die nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs mit dem Regierungspräsidium Gießen und dem hessischen Innenministerium abgestimmt seien, betreffen unter anderem den Bürgerantrag. »Statt eines Bürgerantrags gibt es jetzt die Einwohnerpetition in Ausgestaltung des grundgesetzlich garantierten Petitionsrechts«, steht dazu in der Magistratsvorlage. Bürgerteiligung heiße jetzt Einwohnerbeteiligung. Und die »Einwohnerversammlung orientiert sich an den Regeln der Hessischen Gemeindeordnung und wird vom Stadtverordnetenvorsteher geleitet«. Die Einwohnerfragestunde finde außerhalb einer Ausschusssitzung statt. Zudem kennt die geänderte Satzung nun sogenannte Einwohnerräte und die Möglichkeit, ein Vertreterbegehren durchzuführen. Gemäß Hessischer Gemeindeordnung ist das ein Begehren, das von Stadtverordneten auf den Weg gebracht wird und einen Bürgerentscheid zum Ziel hat.

Korrekturen an der ursprünglichen Satzung seien notwendig geworden, damit »gut entwickelte Instrumente der repräsentativen Demokratie nicht versehentlich beschädigt oder eingeschränkt werden«. Die Souveränität von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung sollten zweifelsfrei gekennzeichnet sein, erklärte der OB. »Der Magistrat wurde beauftragt, eine Änderung vorzulegen, die den Beanstandungen Rechnung trägt. Es wurde also nicht eine komplette Neufassung beauftragt«, betonte der Sozialdemokrat.

Logik des alten Regelwerks

Die Logik der alten Satzung bleibe erhalten. Es sei gelungen, konstruktiv mit den kritischen Einwendungen umzugehen, dabei aber der Grundidee treu zu bleiben. Becher sprach von einem Instrument, mit dem Einwohner sich auch zukünftig strukturiert beteiligen könnten.

Genau dieser alten Satzung attestierte Bouffier »krachendes Scheitern«. Die Gerichte hätten klar festgestellt, dass »zentrale Elemente der ehemaligen Bürgerbeteiligungssatzung - das Fragerecht in den Ausschüssen oder auch das Bürgerantragsrecht - eben nicht gelten dürfen«, erläuterte der Christdemokrat. Folgerichtig sei beides nicht mehr in der Einwohnerbeteiligungssatzung enthalten. Es gelte sich zu überlegen, welchen Mehrwert die Satzung nun noch biete. »Das Petitionsrecht gibt es schon. Es steht im Grundgesetz und in der Landesverfassung. Für jedermann. Das ist so. Deswegen ist die Frage, warum man das Recht hier jetzt nochmal festschreiben muss«, kritisierte Bouffier. Die Bürgerversammlung finde sich ebenfalls in der Gemeindeordnung. »Insofern erschließt es sich uns nicht, warum man das jetzt auch noch einmal festschreibt«, so Bouffier. »Die Satzung wurde von der ehemaligen Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz mit heißer Nadel kurz vor der OB-Wahl gestrickt, damit man ein bisschen was hat, das man im Wahlkampf verkaufen kann. Das ist politisch nachvollziehbar, hat aber der Qualität der Satzung nicht gut getan. Deswegen stehen wir jetzt wieder hier«, monierte FDP-Fraktionsvorsitzender Dominik Erb. Fraktionschef Christopher Nübel von der SPD gratulierte dem Magistrat, mit dem RP eine Lösung gefunden zu haben, die die Satzung rechtssicher erhalte. Lutz Hiestermann, Vorsitzender der Fraktion Gigg+Volt, hätte sich unter anderem Bürgerbeteiligung bei der Überarbeitung gewünscht.

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