Erfolgreicher Start mit Belcanto

Vladimir Yaskorski ist seit dieser Spielzeit Erster Kapellmeister am Stadttheater. Dafür sorgte vor ein paar Jahren eine schicksalhafte Begegnung in Dresden.
Gießen. In Dresden kam es vor ein paar Jahren zu einer für das Gießener Musikleben folgenreichen Begegnung. Der junge, aus Armenien stammende Geiger und Dirigent Vladimir Yaskorski war 2014 gerade mit dem renommierten Ernst-von-Schuch-Preis ausgezeichnet worden und hatte, sozusagen als Belohnung, eine Assistenz an der Staatsoperette Dresden erhalten, wo er den »Zarewitsch« dirigieren durfte. »Dort, an der Staatsoperette, habe ich Andreas Schüller kennengelernt«, berichtet der 38-Jährige. Heute ist der genannte Schüller seit Beginn der Spielzeit neuer Generalmusikdirektor am Gießener Stadttheater und Vladimir Yaskorski dessen Stellvertreter und Erster Kapellmeister.
Gerne draußen in der Natur
Im Sommer ist er mit seiner Frau und dem vierjährigen Söhnchen nach Gießen gezogen. »Wir hatten schon Gelegenheit, uns umzuschauen und die Gegend ein wenig kennenzulernen«, erzählt er und schiebt gleich nach, dass er und seine Frau die Region im Lauf der Zeit sicher noch mehr kennenlernen werden, denn beide wandern gerne und sind gerne draußen in der freien Natur. Und davon gibt es im abwechslungsreichen Gießener Umland bekanntlich eine ganze Menge.
Im Gespräch mit dem bescheiden und sympathisch wirkenden Musiker fällt auf, dass er ein ausgezeichnetes Deutsch spricht. »Ich habe es schon als Kind ein bisschen von meiner Oma, einer Deutschlehrerin, gelernt«, erklärt er, »später, als klar war, dass ich nach Deutschland gehe, habe ich es intensiviert.«
Geboren und aufgewachsen in der etwas über eine Million Einwohner zählenden Hauptstadt Jerewan, studierte er anfangs Violine am staatlichen Konservatorium und kam mit 20 Jahren nach Deutschland, wo er in der Folgezeit an der Franz-Liszt-Hochschule in Weimar das Dirigierstudium absolvierte. Seither führten in Gastdirigate nach Nürnberg und Halle, nach Lettland, Litauen und Polen, zur Elbland Philharmonie Sachsen, zum Folkwang Kammerorchester und zu den Thüringer Philharmonikern, um nur einige zu nennen. Am Staatstheater Mainz dirigierte er »Don Giovanni«, und am Theater Plauen-Zwickau war er, genau wie jetzt in Gießen, Erster Kapellmeister und stellvertretender GMD.
Am Stadttheater hatte er einen guten Start, wovon sich das Publikum in der von ihm geleiteten Aufführung der Donizetti-Oper »Caterina Cornaro« selbst einen nachhaltigen Eindruck verschaffen konnte. Die Premiere und alle folgenden Vorstellungen waren ein schöner Erfolg. »Man spürt«, lobt er die Gießener Musiker, »dass das Orchester im Belcanto-Spielen Tradition hat. Das hat uns allen sehr viel Spaß gemacht.« Da habe sich bereits gezeigt, dass das Philharmonische Orchester und er sich aufeinander verlassen könnten. Großen Applaus erhielt er auch für die von ihm dirigierte Silvestershow.
Als Dirigent ist er auf keinen Stil und Epoche festgelegt: »Momentan bin ich an einem Punkt, an dem ich alles gerne dirigiere, Klassik und Romantik ebenso wie Barock und Zeitgenössisches.« Durch seine Herkunft sei ihm allerdings die Musik aus Osteuropa näher; da gebe es persönlich eben eine innigere Beziehung.
Eine gute Gelegenheit, ihn mit einem Programm aus seiner alten Heimat Sowjetunion zu erleben, ergibt sich im nächsten Sinfoniekonzert am 19. Januar um 19.30 Uhr. Nach Ausschnitten aus den »Sieben letzten Worten unseres Erlösers am Kreuze« von Joseph Haydn erklingt das komplexe Werk »Sieben Worte« für Bajan, Violoncello und Orchester der aus der russischen Republik Tatarstan stammenden und mittlerweile in Hamburg lebenden Komponistin Sofia Gubaidulina (Jahrgang 1931). Es ist ein von religiösen Themen und religiöser Symbolik geprägtes Stück.
Musik Osteuropas ist ihm nahe
Schon die Besetzung für Bajan, Violoncello und Orchester deute auf die heilige Dreifaltigkeit hin, erläutert Yaskorski, und da der Cellist mit Bogen und Instrument ein Kreuz bilde, habe seine Art zu spielen etwas Magisches. Das Bajan ähnele dem Akkordeon und sei in Tartarstan ein Volksinstrument. Die Komponistin behandele das Instrument aber ganz anders als in der Volksmusik und entlocke ihm tiefe, dunkle, faszinierende Klänge. Gubaidulinas Komposition ist noch zur Sowjetzeit entstanden, genau wie die 15. Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch, die den Abend abrundet. In seiner letzten Sinfonie lässt der todkranke Komponist sein Leben Revue passieren - von heiteren Kindheitserinnerungen bis zu den Schrecken der Stalin-Ära ist alles zu hören.
In der ersten Ausgabe des neuen »Doppeldecker«-Formats begeben sich Schauspieler Nils Eric Müller und Sänger Clarke Ruth mit einem Liederabend in die bunte Welt des Musicals, am Samstag, 14. Januar, um 20 Uhr im Kleinen Haus des Stadttheaters Gießen.
Dabei besteht die Möglichkeit, die beiden neuen EnsembleMitglieder von einer anderen Seite kennen zu lernen. Nils Eric Müller steht derzeit unter anderem als Robespierre in Büchners »Dantons Tod« auf der Bühne, Clarke Ruth als Mocenigo in Donizettis »Caterina Cornaro«. In ihrem gemeinsamen Liederabend präsentieren sie sich als leidenschaftliche Musical-Interpreten mit Songs aus »Sister Act«, »Aladdin« oder »Wicked«, am Klavier begleitet von Clemens Mohr.
In der Reihe »Doppeldecker« bündeln Ensemble-Mitglieder aus zwei unterschiedlichen Sparten ihre Talente und entwickeln ein einmalig stattfindendes Programm. (red)
Beim 3. Sinfoniekonzert der aktuellen Saison stehen am Donnerstag, 19. Januar, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Gießen Ausschnitte von Joseph Haydns »Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze« (1787) auf dem Programm. Ebenso Sofia Gubaidulinas »Sieben Worte für Bajan«, Violoncello und Orchester (1982) sowie Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 15 A-Dur op. 141 (1972). Das Philharmonische Orchester spielt unter Leitung von Vladimir Yaskorski. Eine Einführung gibt es um 19 Uhr. (red)