Erinnerung an »vergessene Poetin«

Das Institut für Romanistik an der JLU Gießen widmet der Französin Anna de Noailles eine Ausstellung in der UB. Sie war eine der größten Dichterinnen ihrer Zeit.
Gießen. »Dieser Raum steht ab heute ganz im Zeichen von Anna de Noailles - einer außergewöhnlichen Schriftstellerin und Lyrikerin, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätig war,« erklärte Jana Keidel vom Institut für Romanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Unter ihrer Leitung haben Studierende im letzten Sommersemester eine Ausstellung über das Leben und die Werke der französischen Poetin erstellt, welche am Montagabend im Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek eröffnet wurde.
»Mit dieser Ausstellung gehen wir einen ersten Schritt. Wir haben versucht, erstmals die gesamte Bandbreite der Autorin systematisch aufzuzeigen,« erörterte Prof. Kirsten von Hagen, ebenfalls vom Institut für Romanistik und Expertin der französischen Literatur- und Kulturwissenschaften. Anna de Noailles , doch in Deutschland ist die Französin mit rumänisch-griechischen Wurzeln weitgehend unbekannt - was sich mit dieser Ausstellung ändern soll. Denn mittlerweile genießt die von 1876 bis 1933 lebende Schriftstellerin einen mehr als guten Ruf in der Literaturwelt und wurde auch schon zu ihren Lebzeiten ausgezeichnet.
So würdigte die »Times« die Dichterin im Jahr 1913 als »The greatest poet that the twentieth century has produced in France - perhaps in Europe«.
Für ihr Gesamtwerk erhielt sie acht Jahre später den renommierten »Grand prix de littérature« der »Académie francaise«. Die Ausstellung »Vergessene Poetin - Anna de Noailles« umfasst vor allem drei Arbeits- und Themenfelder, die das Schaffen der Künstlerin näher beleuchten sollen. So wurde ein besonderes Augenmerk auf das »literarische Schreiben als künstlerische Praxis« gelegt sowie die kritische Auseinandersetzung mit der weiblichen Identität. Auch wurde versucht ihre Rolle als »literarisch-politische Akteurin« herauszuarbeiten.
»Ein weiteres Arbeitsfeld beschäftigt sich mit der Bedeutung der rumänisch-griechischen Herkunft für Anna de Noailles. So nahm sie zunächst eine spezifische Außenseiter-stellung als Schriftstellerin ein und spielte als exotische Orientalin eine besondere Rolle in den berühmten Pariser Salons,« berichtete von Hagen. Zuletzt wurde die Betrachtung vertieft, wie die Poetin sich in einem männlich geprägten Diskurs einschreibt und behauptet.
Neben neun Gedichtbänden verfasste die Künstlerin drei Romane, eine autobiografisch orientierte Schrift sowie mehrere Novellen. Darüber hinaus schrieb Anna de Noailles Essays und journalistische Texte, die in renommierten Zeitungen und Zeitschriften, wie etwa der »Vogue«, veröffentlicht wurden. Ihre Texte zeichnen sich vor allem durch einen immer wiederkehrenden Dualismus aus, der aus Lebenslust und Todessehnsucht besteht. Auch die (unerfüllte) Liebe und die Auseinandersetzung mit »Begehren« waren ein zentrales Element ihrer Arbeiten. So feierte sie mit ihrem ersten Gedichtband, der 1901 unter dem Namen »Le Coeur innombrable« erschien, ein fulminantes Debüt und stieg schnell zu einer beachteten Akteurin im Literaturbetrieb Frankreichs auf. Zu ihrer Popularität trug zudem ihr mondänes Auftreten in den Pariser Salons bei, wo sie sich als sinnliche und exotische Poetin in Szene setzte.
So bietet das Leben und Schaffen der Anna de Noailles mehr als genug interessantes Material für eine Ausstellung, die durch verschiedene Textquellen und Ausschnitte, gesammelte Porträts und Bilder sowie Infotafeln einen vielfältigen Eindruck liefern. »Zudem sollen die hier erarbeiteten Forschungsergebnisse in einem Sammelband zusammengeführt werden,« führte die Professorin aus. Ein erster wichtiger Schritt, um der zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Dichterin neues Leben einzuhauchen.
Die Ausstellung ist bis zum 17. Februar 2023 im Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek geöffnet und kann von Montag bis Samstag von 7.30 bis 23 Uhr kostenlos besucht werden. Während der Weihnachtspause können die Öffnungszeiten abweichen.
Alle Informationen dazu unter www.uni-giessen.de/ub.
