Erinnerungen mit Gesicht

Die Wanderausstellung #StolenMemory der Arolsen Archives ist ab 11. Mai in Gießen zu sehen. Der aufklappbare Übersee-Container ist am Audimax aufgestellt und zeigt »Effekten« von KZ-Inhaftierten.
Gießen (red). Die Arolsen Archives eröffnen morgen, 11. Mai, in Gießen die Open-Air Wanderausstellung #StolenMemory. Im Mittelpunkt stehen der letzte Besitz von KZ-Inhaftierten und die Frage, wie es heute noch gelingt, diese sogenannten Effekten an Familien der Opfer zurückzugeben. Zu sehen ist die Ausstellung in einem aufklappbaren Übersee-Container in der Nähe des Audimax (Philosophikum II, JLU Gießen).
»Effekten« sind persönliche Gegenstände, die Häftlinge bei ihrer Ankunft in den Konzentrationslagern von den Nationalsozialisten abgenommen wurden. Oft waren es Eheringe, Uhren, Füller oder Brieftaschen mit Fotos. #StolenMemory ist eine Kampagne der Arolsen Archives zur Rückgabe dieser persönlichen Gegenstände an die Angehörigen. Über 680 Familien konnten seit dem Start der Kampagne 2016 bereits gefunden werden. Die Ausstellung zeigt Bilder solcher »Effekten« und erzählt vom Schicksal von zehn NS-Verfolgten.
Unter der Überschrift »Gefunden« lenkt die Ausstellung den Blick auf persönliche Gegenstände, die bereits zurückgegeben werden konnten. Sie berichtet vom Verfolgungsweg der einstigen Besitzer*innen und den Rückgaben an ihre Familien heute. Mit dem Smartphone können die Besucher über QR-Codes Videoportraits aufrufen, in denen die Angehörigen selbst zu Wort kommen.
Unter der Überschrift »Gesucht« werden »Effekten« gezeigt, die noch auf ihre Rückgabe warten. Eine wichtige Botschaft ist deshalb auch: Jeder kann die Arolsen Archives bei der Rückgabe der »Effekten« unterstützen und sich selbst auf Spurensuche nach den Verfolgten und deren Familien begeben. Denn noch immer bewahrt das Archiv gestohlene Erinnerungsstücke von knapp 2500 Personen aus ganz Europa auf.
»Viele Opfer der Nationalsozialisten hinterließen keine materiellen Spuren für ihre Familien, weil die Nationalsozialisten ihnen alles nahmen«, so Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives. Die Rückgabe der »Effekten« sei für die Angehörigen deshalb oft sehr unerwartet: »Einige von ihnen wissen nichts oder nur wenig über diesen Teil der Lebensgeschichte ihrer Großeltern, Eltern, Onkel und Tanten«. Umso wichtiger sei es, dass die Gegenstände in die Familien zurückkehrten. »Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Gesichter vor Augen, und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.«
Seit August 2020 reist die #StolenMemory-Ausstellung mit mittlerweile vier Containern durch Deutschland und seit Mai 2022 auch durch Polen und Belgien. Unterstützt und gefördert werden die Arolsen Archives bei den Wanderausstellungen durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Auswärtige Amt sowie das belgische Außenministerium.
Filme erzählen Schicksale
Begleitend zur Ausstellung bietet die Website stolenmemory.org interessante Einblicke: Kurze, animierte Filme mit ergänzenden Web-stories erzählen von individuellen Schicksalen. Diese Materialien wurden speziell für Jugendliche entwickelt und im Juni 2021 mit dem Grimme Online Award in der Kategorie »Wissen und Bildung« ausgezeichnet. Auf der Website steht pädagogisches Material zum kostenlosen Download zur Verfügung, das von Schulen und Bildungseinrichtungen auf allen Stationen der Wanderausstellung genutzt werden kann.
Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai montags bis samstags von 8 bis 20 Uhr zu sehen.
Link: #StolenMemory: https://stolenmemory.org.