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Erleichterung, aber auch Kritik

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Von: Benjamin Lemper

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Für das UKGM soll ein neues Zukunftspapier geschlossen werden. Foto: dpa © dpa

Nach dem verkündeten »Durchbruch« zur Finanzierung des Uniklinikums Gießen und Marburg gibt es erste »verhalten optimistische« Reaktionen von Verdi, dem Oberbürgermeister und der CDU.

Gießen (bl). Die Gewerkschaft Verdi hat »verhalten optimistisch« auf die Fortschritte bei den Verhandlungen um die künftige Entwicklung des privatisierten Uniklinikums Gießen und Marburg (UKGM) reagiert. Denn die genauen Formulierungen blieben abzuwarten; vor allem sei unklar, ob die Vereinbarung wirklich für alle Beschäftigten gelte, sagte Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm laut einer Pressemitteilung. Erleichtert hat sich Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher gezeigt: Er sei sehr froh darüber, dass die Partner »endlich wieder an einem Tisch gesessen und über die Zukunft verhandelt haben - anstatt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen und Schuld zuzuweisen«. Das sei ein gutes Zeichen: für das Klinikum, für die Beschäftigten und für die Stadt.

Das Land Hessen, die Rhön-Klinikum AG als Krankenhausbetreiberin und das UKGM hatten am Montag verkündet, einen »Durchbruch« bei den Gesprächen erzielt zu haben, um ein neues Zukunftspapier zur Zusammenarbeit und Absicherung des Investitionsbedarfs für die nächsten zehn Jahre zu schließen. In dieser Zeit sollen mindestens 800 Millionen Euro an beiden Standorten investiert werden. Dies geschehe im Interesse einer »optimalen Gesundheitsversorgung« für die Menschen in der Region, aber auch, um Arbeitsplätze zu sichern und die Qualität von Forschung und Lehre zu gewährleisten. Man sei zuversichtlich, nun alle zentralen Punkte geklärt zu haben und diese bis Ende Januar vertraglich festzurren zu können.

Die Verhandlungen laufen seit Monaten und waren zwischenzeitlich festgefahren. Mitte Oktober warnten Klinikdirektoren aus Gießen und Marburg in einem Brandbrief bereits vor einer »existenziellen Bedrohung«. Sollte es nicht gelingen, »die konfrontative Grundstimmung« und den daraus resultierenden Stillstand zu überwinden, sei auch die Rückführung des UKGM an das Land Hessen als »ehrliche Alternative« zu prüfen, hieß es. Tags darauf trat Dr. Christian Höftberger als Vorstandsvorsitzender der Rhön AG zurück, um »Raum für neue Impulse zu schaffen«.

Tarifvertrag als Ziel

Obendrein haben nicht-ärztliche Beschäftigte des UKGM wiederholt gestreikt, um ihren Forderungen nach »sicheren und guten Arbeitsbedingungen« Ausdruck zu verleihen. Auch solche Streiks und Aktionen, die in den nächsten Wochen fortgesetzt werden sollen, hätten ihre Wirkung nicht verfehlt, ist Dzewas-Rehm überzeugt.

Ziel sei weiterhin ein Tarifvertrag, der »ein umfassendes Ausgliederungsverbot sowie einen Schutz vor Kündigungen« enthalte. Nur damit werde für die einzelne Beschäftigten Rechtssicherheit hergestellt. Bisher werde beispielsweise »kein Wort« über die Frauen und Männer der UKGM Service GmbH verloren. »Hier erwarten wir Nachbesserungen.« Schon einmal sei eine Einigung anvisiert worden, stattdessen müsse man »seit Monaten Spiele auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen erleben«, so der Gewerkschaftssekretär. Die nun deutlich erhöhte Fördersumme ermögliche es, verbindliche Personalregelungen zu finanzieren. Ausdrücklich begrüßt wird von Verdi die beabsichtigte Bauoffensive in Sachen Wohnheimen. Entsprechende Investitionen würden seit Jahren angemahnt. Doch die Wohnheimplätze seien immer mehr abgebaut worden und die bauliche Substanz verrotte. »Für die Zukunftssicherung braucht es neben den drängenden Investitionen in die Wohnheime und den Neubau von Wohnheimen auch Investitionen in die Schulen am UKGM, um eine zeitgemäße Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen zu garantieren«, so Fabian Dzewas-Rehm.

Frank-Tilo Becher erinnerte daran, dass das UKGM einer der größten Arbeitgeber in Gießen sei. Zudem hänge das Ansehen der Stadt auch maßgeblich von der Qualität der medizinischen Versorgung sowie den herausragenden Leistungen am Forschungsstandort ab. »Die Bereitschaft der Partner, ein Zukunftspaket zu schnüren, gibt uns Hoffnung, dass dringend notwendige Investitionen angeschoben werden«, erklärte der Sozialdemokrat in einer Mitteilung der Stadt. Als positiv bewertete Becher auch, dass dieses Signal noch vor dem Jahreswechsel und somit rechtzeitig vor Auslaufen des Vertrages gekommen sei. Dies eröffne allen eine Perspektive.

Kritisch fügt Becher hinzu, dass die getroffene Vereinbarung »überfällig« gewesen sei. »Nach wie vor ist es mir unverständlich, weshalb so viel Zeit ins Land gehen musste, um sich anzunähern«, betont der Oberbürgermeister, der selbst mehrfach für eine Einigung geworben hatte. »Nur mit nach vorne gerichteten Zukunftsideen schafft man Vertrauen. Ich erwarte, dass sich die erzielte Grundsatzeinigung als tragfähige Basis für die weiteren Vertragsverhandlungen erweist.«

Von einer »äußerst erfreulichen Nachricht für Patientinnen und Patienten, aber vor allem auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter« spricht der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes, Frederik Bouffier. Damit sei »die quälende Unsicherheit der vergangenen Wochen und Monate endlich vorbei«. Durch das vereinbarte Investitionsvolumen werde zugleich die heimische Wirtschaft deutlich gefördert und die Finanzkraft der Stadt nachhaltig gestärkt. Als wichtig für die Zukunftssicherung des UKGM bezeichnet Bouffier die Regelung, dass Gewinne nicht durch die Rhön AG respektive Asklepios entnommen werden dürften, sondern beim UKGM verbleiben müssten. Der Personalmangel insbesondere in der Pflege sei gleichwohl noch immer »völlig unbefriedigend«.

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