»Es entwickelt sich prächtig«

Bei den Tieren kommen die Naturschutzmaßnahmen auf dem ehemaligen AAFES-Gelände in Gießen offenbar gut an. Spaziergänger müssen allerdings draußen bleiben
Gießen . Ziemlich leer sind sie angesichts der Dürre gerade: Die neu angelegten Regenrückhaltebecken auf dem ehemaligen AAFES-Gelände. Doch bei Starkregen passen hier bis zu 22 300 Kubikmeter Wasser hinein. So soll künftigen Hochwasserereignissen vorgebeugt werden. Gleichzeitig sollen die Becken dafür sorgen, dass das Wasser langsam absickert und in der Fläche bleibt - was gerade angesichts längerer Trockenperioden sinnvoll sei, sagte Stadträtin Gerda Weigel-Greilich (Grüne).
Rund vier Millionen Euro hat sich die Firma Revikon um Geschäftsführer Daniel Beitlich die Becken und die umliegenden Ausgleichsmaßnahmen kosten lassen. Gut angelegtes Geld, findet der Investor - und das nicht nur wegen des Naturschutzes. Die Unternehmen, die sich auf dem früheren AAFES-Gelände ansiedeln wollen, würden angesichts der positiven Außendarstellung Wert auf die ökologische Komponente legen.
»Wir haben mehr entsiegelt, als versiegelt«, sagte Beitlich angesichts des Großprojektes. Die Flächenbilanz sei positiv. »Wir haben Logistik dort hingebracht, wo schon immer Logistik war.« Zudem könnten künftig viele Kilometer Fahrtweg gespart werden, wenn die Unternehmen dank der guten Anbindung »auf Arbeitskräfte aus der Stadt zurückgreifen können. Die klassische grüne Wiese verliert an Bedeutung.«
Schotterflächen für Flussregenpfeifer
Rund 4000 Arbeitsplätze und Wohnraum für 2000 Menschen sollen auf dem AAFES-Gelände und im Bereich des früheren US-Depots entstehen. Die Lebenshilfe Gießen wird hier außerdem eine Kindertagesstätte betreiben.
Häuslich niedergelassen haben sich aber schon jetzt Flussregenpfeifer, Zauneidechsen und Co. Für die geschützten Tiere mussten Ausgleichsflächen geschaffen werden. Für den Flussregenpfeifer, eine Vogelart, hat die Firma Weimer (Lahnau) etwa Schotterflächen angelegt, die die Tiere zum Brüten verwenden.
Drei Brutpaare hat Dr. Reinhard Patrzich, der die biologische Baubegleitung übernommen hat, auf dem Gelände beobachtet. Allerdings haben die Tiere durchaus ihren eigenen Kopf und hätten statt auf der extra für sie angelegten Bereiche lieber auf den Wegen gebrütet. Die Baumaßnahmen mussten an diesen Stellen bis zum Ende der Brutzeit warten. Insgesamt würden die Flächen von den Tieren bereits sehr gut angenommen. Erste Wasserfrösche und Libellen hat Patrzich bereits entdeckt, auch Braun- und Schwarzkehlchen sind vor Ort: »Es entwickelt sich prächtig.«
Es sei wichtig gewesen, dass alles naturnah gestaltet wird und der Übergang zur Aue passt, sagt Kerstin Stingl vom Stadtplanungsamt. In direkter Nachbarschaft zu den Regenrückhaltebecken befindet sich ein etwa 100 Hektar großes Vogelschutzgebiet. Mit dem Übergang vom Wasser zum Trockenen zeigten sich die Anwesenden zufrieden: »Das hier ist das Optimum, was man aus solchen Gewerbegebieten herausholen kann.«
Kläranlage inklusive
Aber auch etwas Technik versteckt sich rund um die Rückhaltebecken, deren Grundfläche zusammen rund vier Hektar beträgt. Denn Oberflächenwasser aus Gewerbegebieten darf nicht einfach in weiterführende Gewässer abgeleitet werden. Zuvor muss es geklärt werden - und zwar mit Hilfe von Lamellenklärern. »Das sind parallel angeordnete Metallplatten, die die Fließgeschwindigkeit des Wassers verringern«, erläutert Steffen Kraft von den Mittelhessischen Wasserbetrieben.
Feinstaub oder andere Verunreinigungen würden sich so absetzen und nicht in die Oberlache oder Krebsbach gelangen. In der Vergangenheit sei das noch anders gewesen, denn auf dem US-Gelände galten weniger strenge Vorgaben - so sei dann auch Öl in der Oberlache gelandet.
Übrigens: Auch wenn das Gelände geradezu zu einem Sonntagsspaziergang einlädt: Abgesehen von den Mitarbeitern der Mittelhessischen Wasserbetriebe hat hier niemand Zugang, der Bereich ist abgesperrt. Zum einen, um Flora und Fauna zu schützen, zum anderen, weil die Regenrückhaltebecken - sofern sie gefüllt sind - auch eine Gefahr darstellen. »Durch die Einzäunung wird sich die Natur hier noch besser entwickeln«, ist Stadträtin Weigel-Greilich überzeugt. Gerade freilaufende Hunde seien eine Gefahr für Flussregenpfeifer und Co.