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Euphorie, Schweiß und Tanz

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Feilt lieber nachts an seiner Musik: Jan Delay. Foto: Thomas Leidig © Thomas Leidig

Jan Delay kommt zum Kultursommer Gießen: Im Interview spricht er über Handys, Querdenker und die näselnde Stimme von Rabe Socke.

Gießen. Seine charakteristische, nasale Stimme kennen schon die Kleinsten, wenn nicht aus dem Radio, dann aus dem Fernsehen. Denn als Synchronsprecher des kleinen Raben Socke fliegt Jan Delays Wortakrobatik bereits in die Kinderzimmer. Und natürlich ist der 46-jährige Musiker auch aus der deutschen HipHop-, Funk- und Reggae-Landschaft nicht wegzudenken. Lässig spielt er mit unterschiedlichen Stilen, klingt mal poppig, mal rockig oder soulig und bringt seine Fans so seit knapp drei Jahrzehnten auf Konzerten zum Feiern, Tanzen und Swingen. Auch für seinen Auftritt beim Gießener Kultursommer am 23. August mit seiner Band Disko No.1 verspricht Jan Delay »Euphorie, Ekstase, Schweiß, Glück und Tanz, Tanz und Tanz«. Das ist inzwischen wieder möglich, musste doch sein kurz vor der Corona-Pandemie fertiggestelltes Album erst einmal liegenblieben und Konzerte bekanntlich abgesagt werden.

1999 hat der Hamburger mit den »Beginnern« in einem legendären Track die Füchse besungen, die erste Auskopplung aus seiner aktuellen Platte »Earth, Wind und Feiern« heißt nun »Eule«. Im Interview erzählt er, welches der beiden Tiere er lieber mag, spricht zudem über Frust während der Corona-Zeit, besorgte Bürger und »Fridays For Future«.

Wenn Du ein Tier sein könntest, würdest Du Dich dann für den Fuchs oder die Eule entscheiden?

Ich glaube, für die Eule. Den Fuchs mag ich eigentlich lieber und ich wäre auch gerne ein Fuchs, aber die Eule kann halt fliegen und das ist unschlagbar (lacht).

Rudeltiere sind ja beide nicht. Kommt Dir das entgegen?

Wie man weiß, ist es mir ziemlich egal, ob jemand ein Rudeltier ist. Hauptsache der Rhyme ist fett.

Deine Single »Eule« ist eine Hommage an die Nacht. Fühlst Du Dich tatsächlicher wohler, »wenn der Mond scheint«?

Ja, auf jeden Fall. Der Großteil meiner Arbeit - nicht der Bürokram oder die Interviews, aber Musik erschaffen und aufführen - ist nachts geiler, passender, entspannter und macht tagsüber nicht so viel Spaß. Es kommt dann nicht viel dabei rum. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass es nichts bringt, wenn ich mich um 12 Uhr mittags an den Computer setze und versuche, den perfekten Text zu schreiben. Das funktioniert einfach nicht. Was nicht heißt, dass es nachts immer klappt, aber die Wahrscheinlichkeit ist höher. Da ist eine gewisse Ruhe, weil alles andere eben nicht da ist: keine Telefone, die klingeln, keine E-Mails, die beantwortet werden müssen, niemand der nervt, nix.

Wenn mein sechsjähriger Sohn einen Song von Dir hört, ist für ihn jedes Mal klar: Da singt gerade Rabe Socke. Bist Du solche Reaktionen von Kindern gewohnt? Gab es mal eine lustige Situation in dem Zusammenhang?

Genau das. Ganz viele Eltern erzählen mir, dass sie ihren Kindern meine Musik vorspielen und dann zu hören bekommen »Nö, das ist doch Rabe Socke, der da singt.« Was natürlich echt schön und lustig für mich ist.

Du hast jede Menge weitere Figuren synchronisiert, zum Beispiel Bösewicht Vector in »Ich - Einfach unverbesserlich« oder Biene Majas Kumpel Willi. Gibt es da so etwas wie einen Favoriten?

Ich mag den Raben Socke schon am liebsten, einfach weil ich über die lange Zeit mit ihm verwachsen bin. Es macht einen Unterschied, ob man das Original ist oder einfach nur jemanden synchronisiert. Wenn ich etwas auf Bleistiftskizzen einspreche und das später von den Zeichnern angepasst wird, ist das schon besonders. Daher gehe ich hier auf jeden Fall mit Rabe Socke.

Dein letztes Soloalbum ist 2014 erschienen, mit den »Beginnern« warst Du 2016 zuletzt auf Tour. Was erwartet die Zuschauer nach dieser recht langen Pause?

Eigentlich das Gleiche wie vor der Pause. Natürlich ist es mit den »Beginnern« etwas anders als mit Disko No.1. Aber die Leute erwartet definitiv zwei Stunden Euphorie, Ekstase, Schweiß, Glück und Tanz, Tanz und Tanz.

Die Songs auf »Earth, Wind und Feiern« waren schon vor der Corona-Pandemie fertig. Es muss doch unglaublich frustrierend sein, wenn ein geplantes Album erst einmal liegenbleibt…

Ja, total. Und deshalb habe ich leider auch nicht dieses Momentum gehabt, wo ich dachte: Oh schön, ich habe voll viel Zeit und kann in Ruhe alles machen. Bei mir war der Druck einfach drei Mal so hoch. Ich hatte ein quasi fertiges Album und wollte auf Tour gehen. Und dann liegt es da und wird immer älter und älter und Du denkst, die Texte verlieren an Aktualität. Und natürlich ist man dann auch ein bisschen enttäuscht darüber, dass die Leute nach der Veröffentlichung nicht zusammenkommen und feiern können. Nicht in einer Bar oder einem Club und nicht einmal im Park mit einem Ghettoblaster. Auf einmal ist das alles nicht da. Das ist echt hart, dass Du die Menschen nur noch über ihr Handy erreichen konntest. Du bringst eine Platte raus und hast nur dieses popelige Fenster zur Welt. Das ist echt frustrierend.

Oftmals hört man von Künstlerinnen und Künstlern, dass es an der Corona-Zeit dennoch etwas Gutes für sie gab. Siehst Du das auch so?

Ich nenne das mal die Schönschrift: Für die Platte allein im Studio sitzen, den Sound glattbügeln und aufpimpen. Dafür hat man sonst keine Zeit und das ist das einzige bisschen Positive, was ich diesem Scheiß abgewinnen kann.

Dass Du die Texte nicht mehr verändert hast, ist insbesondere bei »Spaß« interessant. In dem Song setzt Du Dich mit sogenannten besorgten Bürgern auseinander. In der Corona-Zeit tauchten dann noch »Querdenker« und »Verschwörungstheoretiker« auf. Man könnte also sagen, der Text ist sogar aktueller geworden. Sorgst Du Dich vor einem weiteren Rechtsruck in der Gesellschaft?

Wieviel Sorge kann man vor etwas haben, was die ganze Zeit passiert? Man muss aufpassen, dass man diesbezüglich nicht abstumpft, sondern Entwicklungen genauso als etwas Gefährliches betrachtet, was Angst macht, wie vor ein paar Jahren, als das Ganze losging. Abgesehen davon gab es Nazis im Parlament, solange ich denken kann, alle Jahre wieder. Das zieht sich nun mal leider durch die Geschichte dieses Landes - und auch anderer Länder. Man muss einfach versuchen etwas dagegen zu tun, mit guter, positiver Energie.

Letztes Jahr bist Du in Hamburg bei einer großen Demo von »Fridays For Future« aufgetreten. Was möchtest Du den Gegnern dieser Bewegung sagen?

Da muss ich wirklich aufpassen, dass ich meine gute Kinderstube nicht verliere. Wenn jemand die Kids von »Fridays For Future« kritisiert, die jeden Freitag bei Wind und Wetter die Schule schwänzen, auf diese Sachen pochen und nicht aufgeben, nicht aufhören, dann ist das ist wie Hunde treten: Das geht doch gar nicht. Ich verstehe es nicht und es macht mich aggressiv und sauer. Denn letztendlich ziehen sie die Karren aus der Scheiße, die genau die Leute, die sich jetzt aufregen, und deren Eltern verbockt haben. Also sollen die einfach froh sein, dass sich überhaupt jemand darum kümmert, da sie selbst es nicht einsehen und zu faul und zu egozentrisch sind.

Und was möchtest Du der jüngeren Generation mit auf den Weg geben?

Gar nichts. Ich bin so stolz und glücklich, froh und dankbar, dass die Leute am Start sind. Sie haben sich ihre Infos selbst beschafft und sind ihr eigener Lautsprecher. Auch mich haben sie aus einer Art Angstzustand rausgeholt und gezeigt: Es geht! Daher will ich nur loswerden: Ihr seid die Derbsten, macht weiter so!

Tickets für Jan Delay und Disko No.1 gibt es im Internet unter www.giessenerkultursommer.de.

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