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Filmpaläste und Kneipensäle

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Die Kinogeschichte im Landkreis Gießen wird in der Ausstellung auch anhand der Filmplakate erzählt. © Heiner Schultz

Von der bewegten Kinogeschichte in Stadt und Landkreis Gießen erzählt eine Ausstellung in der Sparkasse Gießen.

Gießen. Einen eingehenden Blick in die Kinogeschichte von Stadt und Kreis Gießen kann man jetzt im Foyer der Sparkasse in der Innenstadt werfen. Die Ausstellung »Vorhang auf! Kinogeschichte(n) im Landkreis Gießen« der Kommunalarchive bietet faszinierende, detaillierte Geschichten zum Thema in Texten und Bildern.

Den Anstoß zum Projekt hatte der ehemalige Gießener Stadtarchivar Dr. Ludwig Brake gegeben. Seine Anregung fiel bei den Kollegen in den Kommunalarchiven Biebertal, Buseck, Grünberg, Hungen, Langgöns, Laubach, Lich, Pohlheim, Staufenberg und Wettenberg auf fruchtbaren Boden. Auf 20 großen Tafeln können sich die Besucher nun in die regionale Kinogeschichte vertiefen.

Ilona Roth, Vertriebsvorstand der Sparkasse, erinnerte in ihrer Begrüßung »an die Filmvorführungen, die auf den Dörfern gezeigt wurden. Mit dieser Schau kann Kulturgut aufgezeigt, können verborgene Schätze mit der Öffentlichkeit geteilt werden.«

Kreisarchivarin Sabine Raßner schlug zunächst einen großen inhaltlichen Bogen: »Filmvorführer, die übers Land ziehen, Lichtspielvorführungen in Gaststätten und Turnhallen und ein Lichtspielhaus, das als Revolverkino bekannt ist - im Landkreis Gießen gibt es ganz viele spannende Geschichten rund ums Kino, und davon erzählt diese Ausstellung«.

Ausgehend vom 18. Jahrhundert mit der Laterna Magica, der Entdeckung der Fotografie und des Zelluloids, begann mit dem Kinematographen der Brüder Lumiére im 19. Jahrhundert das, was wir heute als Kino kennen. Zunächst auf Jahrmärkten eingesetzt, hing dem Kino anfangs der Ruch des leicht unseriösen Genres an. Es entstanden Wanderkinos, die dem Publikum auf dem Land die neuesten Produktionen vorführten. Dann kamen Gasthäuser und Gemeindesäle hinzu, immer mit besonderer Genehmigung. Schließlich war das zunächst verwendete Nitrozellulose-Filmmaterial schon bei etwa 38 Grad Celsius von selbst entflammbar.

Schon 1897 wurden in Gießen erste Filmvorführungen angeboten, darunter »Eine Eisenbahnstation in Frankreich mit einlaufendem Zug« - damals ein Renner, der manche Zuschauer in Panik versetzte. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich in Gießen eine vielfältige Kinoszene mit mehreren Häusern etabliert.

Kurz danach kam der Tonfilm auf. Die Lichtspielhäuser wandelten sich von reinen Vorführhäusern in glamouröse Adressen. Der 1935 im Seltersweg eröffnete Gloria Filmpalast bot über 1100 Gästen Platz. In der Walltorstraße wurde dann das grandiose Luxor etabliert. Riesige handgemalte Plakate über den Eingängen warben für die Filme. Die Nationalsozialisten steuerten dann konsequent die Kinoprogramme von oben.

Im Landkreis waren dagegen auch in den 50er und 60er Jahren richtige Kinos noch die Ausnahme, man schaute die Filme in verräucherten Kneipen und Gemeindesälen. In fast allen größeren Gemeinden wurden damals Kinos neu gebaut. So in Buseck, in Lollar (»Ein technisches und architektonisches Meisterwerk«, schwärmte die Gießener Freie Presse), Hungen, Grünberg und Lich.

Einzelne Kinopioniere erwarben lokalen Ruhm. Etwa Wilhelm Vogt, der in Hungen ins Geschäft einstieg. Er fing an mit kleinen Ladenkinos und erfüllte sich 1954 seinen Traum vom eigenen Kinogebäude mit Toptechnik, »Zentralheizung und bequemen Sitzen« (Raßner). Auch zur Geschichte der Kinos in Grünberg und Lich birgt die Ausstellung wissenswerte Details, etwa über Personalien und Gebäude. In Lich begann die Kinogeschichte dagegen schon vor 100 Jahren. Im Jahr 1936 wurde ein neues Haus erbaut, das 1983 von drei neuen Eigentümern übernommen wurde. Sie renovierten und modernisierten es und gaben ihm den Namen »Traumstern«.

Reizvoll sind auch zahllose Spielpläne etwa der »Lichtspiele Wißmar«, auf denen sich Titel finden wie »Liane, die weiße Sklavin«, »Der Sohn des Scheik« und »Flammen über Afrika«. Oder die Geschichte mit dem Grünberger »Revolverkino«. Der Name gründet sich auf den oft unleidlichen Betreiber Otto Vieregge, Vorsitzender der NSDAP-Ortsgruppe Grünberg, der seine Gäste zuweilen mit dem Revolver in der Hand bedrohte. Doch dann kam es zu einer Tragödie: Vieregge erschoss seine Tochter und fügte deren Verlobten und seiner Frau schwere Schussverletztungen zu, bevor er sich schließlich selbst tötete. Es war zunächst das Ende des Kinos dort, das damit seinen Spitznamen weg hatte. Die Kinolizenz wurde an Ludwig Metzger verkauft, der fortan die Kinos in Grünberg und Laubach betrieb und sich in den 50ern zu einem Neubau entschloss. Der Nachfolger »Apollo« besteht noch heute und wird seit 1981 von Metzgers Tochter Edith Weber geleitet.

Zur Ausstellung im Forum der Sparkasse (Johannesstraße), die bis zum 20. Mai zu sehen ist, gibt es ein ausführliches hochwertiges Beiheft, das gratis ausliegt.

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Eröffnung der Sparkassen-Ausstellung (von links) zur Kinogeschichte: Elke Noppes, Dr. Ludwig Brake, Sabine Raßner und Ilona Roth. © Schultz

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