Flexibel und einfallsreich

Marion Schumacher und Sebastian Hett, die Gründer der »trocken & lieblich Wein UG«, waren Gastgeber des jüngsten Gründerstammtisches und erzählten von ihrem Werdegang.
Gießen . Beim jüngsten Abhalten des Gießener Gründungsstammtisches konnten Gießener Unternehmer und solche, die es werden wollen, erfahren, welche Höhen und Tiefen damit einhergehen können, einen eigenen Betrieb zu leiten, welche Konsequenzen geschäftliche Entscheidungen haben und wie ein kreativer Umgang mit Krisensituationen wie durch die Corona-Beschränkungen, nicht zu vergessen die Solidarität von Kunden, dazu führen, diese letztendlich zu überbestehen. Marion Schumacher und Sebastian Hett, die Gründer der »trocken & lieblich Wein UG«, waren Gastgeber und erzählten von ihrem Werdegang.
Weinboxen während Lockdown beliebt
2013 hat Marion Schumacher den Laden zunächst alleine gegründet. Was als Erstes eine »Schnapsidee« gewesen sei, hat sich nunmehr bereits neun Jahre gehalten - und das trotz erheblicher Umsatzeinbrüche in den vergangenen Jahren. Wie hat das funktioniert? Da ist zunächst die Iteration von Weinboxen gewesen. »Die sind durch die Decke gegangen«, berichtet Schumacher. Verschiedene Varianten erfreuten sich großer Beliebtheit bei den Kunden, wodurch das Lokal am Leben gehalten werden konnte. Im Laufe der Pandemie ließ deren Kaufinteresse jedoch mit der Zeit nach. Schumacher zog hier den Vergleich zum Kochen, was man zwischenzeitlich gelernt habe, anstatt ständig Essen zu bestellen. So mussten sich Sebastian Hett und sie etwas Neues einfallen lassen und hatten wieder Erfolg, diesmal mit Weinproben für zu Hause, geliefert mit Trinkanleitung und Erklärung der Weine.
Hett hat sich schrittweise zum nunmehr auch rechtlich festen Teil der Weinbar inmitten des Gießener Herzens in der Ludwigstraße gemausert. Dabei kommt der gelernte Weinhändler in der Geschichte des Lokals zunächst im Sinne seiner Profession vor. Ein Wein von ihm stand zu Beginn auf der Karte des »trocken & lieblich«. Mittlerweile sei es nur noch einer, der nicht mehr von ihm geliefert werde. »Dieses Monopol wollte ich ihm auch nicht geben«, so Schumacher scherzend mit einer gewissen Ernsthaftigkeit.
Ihre beiderseitige wirtschaftliche Krise durch Corona habe sie endgültig als Geschäftspartner zusammengebracht. Hett hat Schumacher zudem immer wieder dazu angehalten, das Geschäft nicht aufzugeben, sondern stattdessen »bestehende Infrastruktur zu nutzen«. So etwa im Falle der Anfang 2020 gegründeten Kaffeebar »mild & kräftig«, die an den Morgen von freitags bis sonntags die Freitag- und Samstagsabend geöffnete Weinbar aus Sicht der Betreiber »wirtschaftlich« ergänzt.
Rentabilität überprüft
Das war nicht immer so: In früheren Jahren hatte die Weinbar auch werktags geöffnet. Sebastian Hett hatte dann den Ausschlag gegeben, die Rentabilität statistisch zu überprüfen. »Wir haben lieber an zwei Tagen geöffnet, an denen es voll ist«, erklärt Schumacher. Das funktioniere nun sehr gut. Dafür reiche auch reine Mund-zu-Mund-Propaganda aus, denn Anzeigen schalten die beiden keine. »Das passt auch nicht zu unserem Style«, erklärt Schumacher. Insgesamt ist das Ganze für beide jedoch auch eine stressige und herausfordernde Angelegenheit, da Hett seinen Weinhandel weiterhin führt und Schumacher weiterhin eine während der Pandemie auf Vollzeit aufgestockte Stelle bei der Studienberatung der THM füllt. Das Café habe sie, als nach Eröffnung sechs Wochen später die Pandemie begann, nicht weiterbetreiben wollen. Auch in dieser Frage hat Hett den Ausschlag gegeben, es doch nochmal zu versuchen.
Aus Fehlern gelernt
Ohne »Blauäugigkeit«, wie Schumacher selbst sagt, wäre alles zu Beginn ihrer unternehmerischen Laufbahn vielleicht gelaufen, wenn sie damals bereits vom Technologie- und Innovationszentrum Gießen (TIG) gewusst hätte. Der Mitveranstalter des Gründungsstammtisches greift Unternehmen unter die Arme. Hett und Schumacher haben dort nun ein Büro, um Beruf und Zuhause zu trennen, so Letztere. Ein Beispiel der Fehler, die sie gemacht hat, ist die kostspielige Konsultierung eines Beraters zur Auswahl von Weinen gewesen. Die Expertise eines Weinhändlers wäre da hilfreicher gewesen, erklärt sie. Nichtsdestotrotz hatte es auch sein Gutes, denn ohne das Intermezzo wäre sie schließlich wohl nie auf Hett getroffen.
Mit Wein kannte sich Schumacher nicht aus, als sie mit der Idee, einen Laden zu gründen, »einfach morgens aufgewacht« war. Sie habe einfach gefunden, dass es Gießen an einem Ort zur Verköstigung von Wein fehle. Selbige Schlussfolgerung war auch die Geburt der Kaffeebar. Für Hett war es zu Beginn einfach eine pragmatische Entscheidung, eine Ausbildung zu machen, da er sonst auf nichts Lust gehabt habe. Mittlerweile kenne er sich nichtsdestoweniger sehr gut aus.
Seine Expertise komme auch im »trocken und lieblich« immer gut an, weiß Schumacher zu berichten. Auch er hatte einst eine »Schnapsidee«, als er vor einiger Zeit für ein Jahr ein Restaurant in Wiesbaden gemeinsam mit einem Freund besaß. Die Verantwortung und nächtliche Heimfahrten stellten sich jedoch für den Bad Nauheimer als stressig heraus. In der Kleinstadt haben die beiden zudem noch ein weiteres Weinlokal, welches nach Bedarf für geschlossene Gesellschaften öffne. Insgesamt finden sie, dass sie ein »eingespieltes Team« seien.