Flussregenpfeifer gefährdet

Das Regenrückhaltebecken am ehemaligen US-Depot hat eine ökologische Komponente, doch die Vögel brüten lieber auf einem benachbarten Weg.
Gießen. Flughafen, Militärdepot und jetzt Gewerbe- und Wohngebiet: Das Areal zwischen der Rödgener Straße und der Autobahn hat eine bewegte Geschichte. Beim Umbau des ehemaligen US-Militärdepots wurde auch früher schon an den Naturschutz gedacht. Zwischen dem eigens zum Erhalt bedrohter Vogelarten angelegten Schutzgebiet und den für die gewerbliche Nutzung umgebauten Flächen im Süden gibt es jedoch einen circa vier Hektar großen Streifen Land, dem eine ganze eigene Bedeutung als Regenrückhaltebecken zukommt.
Nun bot sich vielleicht eine der letzten Gelegenheiten, dieses einzigartige Gebiet zu gutachten. Unter Leitung von Dr. Reinhard Patrzich fand eine Wanderung statt, die den Teilnehmern einen ökologischen Blick auf Planung, Entstehung und die gegenwärtige Situation der Regenrückhaltebecken vermittelte.
Denn obwohl das Hauptanliegen der Erbauer die sichere Ableitung von Regenwasser insbesondere während starker Regenfälle war, wurde dieses Areal gleichzeitig auch mit Blick auf den Naturschutz gestaltet.
Patrzich selbst ist schon bei der Planung des Projekts involviert gewesen: Als Teil einer »ökologischen Baubegleitung« hatte er unter anderem bei der Bestandsaufnahme von Tieren vor und während der Bauarbeiten mitgewirkt. Manche Gebäude des Depots waren damals unbetretbar, weil »so marode, dass einem die Decke auf den Kopf gefallen wäre,« schilderte er. Auch die Entwässerung habe einiges zu wünschen übrig gelassen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Versiegelung von Flächen durch den Umbau zurückgegangen sei: »Die ganze Wasserflurung musste neu abgeleitet werden.«
Für die ortsansässige Tierwelt hat sich mit dem Umbau viel verändert: So musste man eine ganze Menge Zauneidechsen umsiedeln, die bis dahin das Sonnenbad auf den versiegelten Flächen des Depots genossen hatten. Vom Umbau profitiert haben dagegen die Vögel, manchmal sogar etwas zu sehr. Zum Aussetzen der vorher eingesammelten Eidechsen erläuterte Patrzich: »Da saß ein Neuntöter, der sah uns ganz gierig an.« Das sei »auch Natur, aber nicht unbedingt im Sinne des Erfinders.«
Während der Abbrucharbeiten an den Gebäuden hätten Flussregenpfeifer zum Beispiel ganz neue Brutmöglichkeiten gefunden, da sie bevorzugt in Kiesel und feinem Schutt Eier legten. Die gelegentlich vorbeifahrenden Baumaschinen hätten sie dabei nicht gestört. Ein einzelnes Kieselbecken habe man anschließend angelegt, um die Brutpaare auch nach den Arbeiten dazubehalten - allerdings weitestgehend erfolglos.
Denn auch wenn die Besucher an diesem Nachmittag eine kleine ornithologische Sensation - einen Wiedehopf - zu Gesicht bekamen, sieht es für die Flussregenpfeifer schlecht aus. Patrzich erklärte, dass die Tiere den geschotterten Weg zwischen den Becken dem für sie vorgesehenen Platz vorziehen - mit tragischen Folgen: Da sie nicht auf ihren Eiern sitzen würden, wie beispielsweise Hühner, würden sie häufig Opfer von unvorsichtigen Joggern, Radfahrern und Hundebesitzern. »Die Freizeitnutzung ist hier ein ganz großes Problem.« Die Lösung müsse daher in Zukunft so ausfallen, »dass der normale Mensch hier nicht mehr reinkommt«.
Doch auch durch die Bewirtschaftung des Gebiets drohe Gefahr: Die Flächen müssten schonend gemäht werden, der Verschilfung müsse Einhalt geboten werden und die Wasserqualität habe bereits gelitten, meinte Patrzich. »Das A und O wird hier sein, wie die weitere Pflege stattfindet.«