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Fremdling sucht Winterquartier

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Von: Hans Bahmer

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Die Amerikanische Zapfenwanze saugt an den Zapfen von Nadelbäumen. Foto: Larve © Larve

Der Name verrät schon viel über die bis zu 20 Millimeter große, braun gefärbte Wanze mit dem hübschen, weißen V-förmigen Band auf dem Rücken.

Gießen . Wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden, wenn die grauen Nebel sich nur noch mühsam auflösen, wenn Herbststürme Blätter durch den Äther treiben und die Temperaturen einstellig werden, dann spürt auch die Amerikanische Zapfenwanze (Leptoglossus occidentalis): Es ist Zeit, sich ein Winterquartier zu suchen.

Unternehmungslustig

Der Name verrät schon viel über die bis zu 20 Millimeter große, braun gefärbte Wanze mit dem hübschen, weißen V-förmigen Band auf dem Rücken. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet liegt nicht nur jenseits des großen Teiches im fernen Amerika, dort hauste die prächtige Wanze ursprünglich nur westlich der Rocky Mountains. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Bereits in den 90er Jahren hatte es die unternehmungslustige Art bis nach New York geschafft. 1999 tauchte sie zum ersten Mal in Europa auf und zwar in Norditalien.

Obwohl als gute und leidenschaftliche Fliegerin bekannt, hat sie den Atlantik natürlich nicht fliegend überquert. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass sie durch den weltumspannenden Handel ungefragt und unfreiwillig verschleppt wurde. Wie der Name schon vermuten lässt, gewinnt die Wanze ihre Lebensenergie durch Saugen an Koniferenzapfen.

Erster Nachweis vor 18 Jahren

Da sie an Nadelbäumen ihre Eier ablegt und dort auch die Larven aufwachsen, ist es wahrscheinlich, dass der Fremdling als blinder Passagier durch den Koniferenhandel nach Europa gelangte. Erst einmal hier eingereist, war es für die agile Wanze ein Leichtes das alte Europa zu erobern. Bereits 2004 konnte sie in Deutschland nachgewiesen werden, wo sie mit zu den größten und auffälligsten Wanzen zählt.

Exotische Herkunft und grazile Schönheit haben aber keinen Einfluss auf ihre Beliebtheit bei der Bevölkerung. Allein ihre Zugehörigkeit zu den Wanzen, die sich bekanntlich ihre Nahrung saugend durch anstechen von Pflanzen, Tieren und Menschen beschaffen, macht sie zu gehassten Parias der Tierwelt. So führen die Saugaktivitäten der Amerikanischen Zapfenwanze in ihrer Heimat zwar zu keinen äußerlichen Schäden, können aber die Samenproduktion der Nadelbäume mindern. Deshalb gelten sie dort als Schädlinge.

Auch wenn man hierzulande noch keine solche Schädigungen registrieren konnte, werden sie doch als Lästlinge empfunden. Das hängt natürlich mit ihrer Überwinterungsstrategie zusammen. Die unwirtliche Jahreszeit versuchen sie oft in den Behausungen des Menschen auszusitzen. Dieses Verhalten kommt oft einem Todesurteil gleich. Einmal entdeckt, beenden sie ihr Leben oft im Staubsaugerbeutel.

Aufgrund eines im Wanzenkörper produzierten Aggregationspheromons kann es bei der Überwinterung zur Rudelbildung kommen. So eine Wanzengemeinschaft kann dann schon einmal bis zu 2000 Tiere zählen. Aber das sind seltene Ausnahmen. Wer das Glück hat, auf solch eine Ansammlung zu stoßen, sollte die Wanzen zählen. Vielleicht gibt es einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde.

Im Übrigen sollte man nicht vergessen: »Wanzen gehören mit zum großen Ganzen.« Im Nahrungsnetz der Ökosysteme sind sie Nahrungsquelle für andere Lebewesen. Was die Amerikanische Zapfenwanze betrifft, hat sie in einer heimischen Erzwespe bereits eine Gegenspielerin gefunden, die ihre Eier befällt. Zapfenwanzen, die den Winter überleben, legen im nächsten Jahr an Nadelbäumen ihre Eier ab, um dann zu sterben. Nur etwa zehn Prozent der aus den Eiern schlüpfenden Larven entwickeln sich tatsächlich zu erwachsenen Wanzen. Ihre eigentliche Harmlosigkeit zeigt sich aber darin, dass es ihnen bis heute nicht gelungen ist, das Weltklima zu verändern.

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