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»Freundliches Desinteresse« an Hradec Králové?

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Von: Eva Pfeiffer

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Nach seiner Auflösung hat der Verein sein Vermögen an andere Vereine und Einrichtungen gespendet. Archivfoto: Jung © Red

Der Mitinitiator will Gießens Partnerschaft mit der Stadt in Tschechien beenden lassen. Beim Magistrat sieht man die Sache aber anders

Gießen . Seit 32 Jahren besteht die Städtepartnerschaft zwischen der Universitätsstadt Gießen und dem tschechischen Hradec Králové (Königgrätz). Doch wie lange sie noch Bestand hat, ist unklar - denn es gibt Bestrebungen, sie zu beenden. Mit einer entsprechenden Bitte hat sich Bernhardt Brachtel an den Magistrat gewandt. Der Gießener ist Mitinitiator der Städtepartnerschaft und Gründungsmitglied des Deutsch-Tschechischen Freundeskreises. »Mit der Auflösung des Freundeskreises ist eine Erfüllung mit Leben dieser Partnerschaft seitens der Bevölkerung nicht mehr gegeben«, heißt es als Begründung in dem Schreiben, das dem Anzeiger vorliegt.

Der seit 1991 bestehende Freundeskreis hatte sich in diesem Jahr wegen fehlendem Nachwuchs aufgelöst. Brachtel, der zuletzt nicht mehr Mitglied des Freundeskreises war, kritisiert ein »freundliches Desinteresse« seitens der Stadt - und das nicht erst in den vergangenen Jahren, sondern bereits seit dem Ende der Amtszeit von Oberbürgermeister Manfred Mutz 2003. Außerdem gebe es auf tschechischer Seite keinen Verein und damit auch keinen Ansprechpartner.

Brachtel kritisiert zudem, dass auch im Bereich der Kultur vonseiten der Stadt wenig getan worden sei, um die Partnerschaft mit Leben zu füllen. Man solle die Freundschaft nicht plakativ am Leben halten, wenn die Grundlage fehle, sagte er im Gespräch mit dem Anzeiger.

Dieter Geißler, der bisherige Vorsitzende des aufgelösten Vereins, sieht das auf Anfrage jedoch anders: »Warum sollte man die Städtepartnerschaft ausgerechnet jetzt auflösen, wo wir gerade auf dem Weg sind zu einem wirklich geeinten Europa?« Zudem gebe es Kontakte zwischen den Hochschulen in beiden Städten. Aus akademischer Sicht würde man einem Ende der Partnerschaft »sicherlich nicht freudig zustimmen«.

Weiter »Austausch und Begegnung«

Und auch aus Sicht des Magistrats steht die Städtepartnerschaft mit Hradec Králové nicht zur Disposition. »Es finden immer wieder Kontakte zwischen politisch Verantwortlichen und den Verwaltungen statt«, teilt Stadträtin Astrid Eibelshäuser (SPD) auf Anfrage mit. Beispielsweise habe der Oberbürgermeister erst Ende 2021 noch einmal das Interesse der tschechischen Freunde an der Partnerschaft bekräftigt. Im September werde Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) digital an einer Konferenz in Hradec Králové zu Fragen der Mobilität und des Verkehrs teilnehmen. »Es gibt also immer wieder Austausch und Begegnung, wenn auch nicht in dichter Folge. Aus Sicht des Magistrats sollte deshalb aber nicht die Partnerschaft aufgegeben werden«, betont die Stadträtin.

Angeregt hatte die Partnerschaft 1987 die Gießener SPD-Fraktion. Ziel war es, dauerhafte Grundlagen für die Entwicklung gut-nachbarlicher Beziehungen zu schaffen. Ende Mai 1990 wurde der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Hradec Králové ist mit rund 93 000 Einwohnern fast genau so groß wie Gießen und liegt am Oberlauf der Elbe in Nordostböhmen.

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