»Fridays For Future« verteidigt »Letzte Generation«
Gießen . Zumindest in Gießen scheint nach den Blockaden der »Letzten Generation« (LG) ein Riss durch die Klimabewegung zu gehen. Nach dem sich der Stadtschülerrat in der Vorwoche ausdrücklich von der LG distanziert und ein Anwerbeverbot an Schulen gefordert hatte (der Anzeiger berichtete), solidarisieren sich jetzt 30 Ortsgruppen von »Fridays For Future« (FFF) in einem offenen Brief mit den Aktivisten der LG, darunter auch die Ortsgruppe Gießen.
»Fridays For Future« und die »Letzte Generation« würden zwar unterschiedliche Protestformen nutzen, aber die gleichen Ziele verfolgen, heißt es in dem Brief, nämlich eine nachhaltige Veränderung der Klimapolitik und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Bei allen Unterschieden würden sowohl FFF als auch die LG dabei auf »friedliche und gewaltfreie Protestformen« setzen.
»Wir werden wie bisher für alle zugängliche und niedrigschwellige Proteste und Demonstrationen durchführen. Wir haben jedoch Verständnis dafür, dass die ›Letzte Generation‹ Blockadeaktionen als legitimes Mittel in Betracht zieht, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise aufmerksam zu machen«, heißt es weiter in dem Text, den unter anderem FFF-Gruppen aus Karlsruhe, Nürnberg, Darmstadt, Osnabrück, Marburg, Fulda, Hanau, Leipzig, Goslar, Konstanz, Soest, Münster oder Recklinghausen unterzeichnet haben. Auch unterstütze man die Forderungen der LG: Die Einführung eines deutschlandweiten Neun-Euro-Tickets, ein Tempolimit auf Autobahnen sowie die Schaffung eines »Bürger*innenrates«.
Ein repräsentativer und geloster Bürgerrat könne durch eine Einigung der Gesellschaft wirksame Klimapolitik gestalten. Diese Maßnahmen seien erste, obligatorische Schritte, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Es müsse jedoch klar sein, dass diese Sofortmaßnahmen nur der Grundstein einer effektiven Klimapolitik seien.
Die »Letzte Generation« habe den Mut und die Beharrlichkeit, auf die immer weiter eskalierende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, lobt FFF. Die 30 Ortsgruppen verurteilen zudem »Aggressivität und Selbstjustiz aus Teilen der Bevölkerung«. Den Fokus vieler Medien auf die Aktionsform statt auf die Gründe halte man für falsch.
»Fridays For Future« sei eine pluralistische Bewegung, heißt es abschließend. Der offene Brief präsentiere daher den Standpunkt der unterzeichnenden Ortsgruppen und habe nicht den Anspruch für die Bewegung als Ganzes zu sprechen.
»Zu politikhörig«
Kritik an der LG übte auch Jörg Bergstedt von der Projektwerkstatt in Saasen, der seit 45 Jahren spektakuläre Protestaktionen gegen Umweltzerstörung initiiert. Allerdings warf Bergstedt im Gegensatz zu vielen Parteipolitikern der LG vor, gelungene Aktionsformen nicht mit ernsthaften Inhalten zu verbinden. »Die Aktionen werden ausgeweitet, gleichzeitig werden die ohnehin schon schwachen Forderungen heruntergefahren, Man will ganz Berlin lahm legen, fordert aber nur noch einen Bürgerrat«, meinte Bergstedt.
Generell kritisiert er sowohl bei FFF als auch der LG eine zu große Fixierung auf die Politik. Beide Gruppen glaubten, dass die Klimaprobleme durch Fehler in der Politik verursacht würden, die man auch wieder korrigieren könne. Dabei sei der Normalbetrieb dieser Politik das eigentliche Problem.