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»Für den Sport muss man betteln«

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Von: Rüdiger Schäfer

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Das Gelände des MTV 1846 am Heegstrauchweg. Sowohl Halle als auch Außengelände sind sanierungsbedürftig. Foto: Schäfer © Schäfer

Mehmet Tanriverdi ist sauer auf die Stadt Gießen und fordert als Vorsitzender des MTV 1846 die Gleichstellung mit der TSG Wieseck. Hintergrund sind die maroden Sportanlagen.

Gießen. Mehmet Tanriverdi nimmt bei der Jahreshauptversammlung des MTV 1846 Gießen kein Blatt vor den Mund. In der Jahnhalle schimpft der Vorsitzende: »Wir werden diese Politik der Stadt weiter scharf kritisieren.« Was er damit meint? »Für den Sport muss man in Gießen betteln.« Dem Anspruch, »Sportstadt« zu sein, werde Gießen jedenfalls nicht gerecht. »Viel mehr als den einen oder anderen Aktionstag mit Sportlerehrungen oder dergleichen gibt es nicht.« Wieso Tanriverdi so sauer ist? Es betrifft die marode Jahnhalle und den gesamten Funktionskomplex, in den sie eingebettet ist.

Eine vor zwei Jahren durch Architekten erstellte Machbarkeitsstudie hatte ergeben, dass eine Investitionssumme vonnöten ist; mittlerweile im hohen einstelligen Millionenbereich liegend. Und die ist auch von einem der mitgliederstärksten Vereine des Kreises ohne hohe Zuschüsse nicht zu stemmen. In Zusammenarbeit mit der Stadt sei ein Antrag auf Förderung im Programm »Sanierung von Sporthallen« gestellt worden. Der Eigenanteil läge dann bei zehn Prozent, was für den Verein machbar wäre. Knackpunkt dabei sei jedoch, dass der Heegstrauchweg - die Heimat des MTV 1846 - »im Südteil der Stadt liegt und nicht in einem sozialen Brennpunkt.« So habe er die Chance auf eine Förderung lediglich bei 50:50 gesehen. Mittlerweile sei der Antrag der Stadt auf Hallenerneuerung abschlägig beschieden worden. »Der ist von der Stadt schlecht begründet worden«, sieht er als Ursache für die Ablehnung. »Es kann nicht sein, dass wir wegen des sozialen Status gegenüber der Nordstadt benachteiligt werden.« Nach der ablehnenden Entscheidung habe man sich mit der Stadt getroffen. »Unser Angebot war, eine große Halle wie sie auf dem Areal der Liebigschule geplant ist, hier bei uns zu errichten und dort nur eine kleinere.« Die demnächst gebaute Sporthalle sei ohne Tribüne für Vereine nicht zweckmäßig, so seine Kritik. Für 20 Millionen baue ein Investor jetzt einen Neubau für die alte »Doppelturnhalle«. Und die Stadt zahle 30 Jahre lang jährlich fast 1,5 Millionen an Miete.

Tanriverdi gefällt gar nicht, dass »der Investor gute Geschäfte macht und die Stadt Teile der Schule privatisiert.« Der Presse habe er entnommen, dass die TSG Wieseck eine Erweiterung ihres Sportgeländes mit einem zweiten Kunstrasenplatz und einem Basketballplatz plane. Deren Vereinsziel sei nicht die Förderung des Breitensportes wie am Heegstrauchweg, sondern »mit der Ausbildung von Jugendspielern, die zumeist nicht aus der Region kommen«, bei der Übernahme durch Profivereine Geld abzugreifen. »Wir wollen auch ganz oben stehen auf der Liste der Stadt«, reklamierte er.

Nicht unbedingt deshalb zu erwarten war, dass zwei Anträge, die zur Sitzung gestellt worden waren, vom Vorstand goutiert werden. Allerdings sind es lediglich Prüfanträge, als Aufträge an den Vorstand für Machbarkeitsstudien. Diese wurden ohne größere Debatten mit großer Mehrheit - je sieben Gegenstimmen und wenige Enthaltungen - beschlossen.

Platzprobleme und Wartelisten

Als Antragsteller begründete Dr. Andreas Berk die Anträge, die initiativ aus den mit viel Jugend und Erfolg ausgestatteten Abteilungen Fußball und Football gekommen waren. Es geht darin um die Aufstellung eines Containers für den Verkauf von Getränken und Essen in Höhe der Mittellinie des Kunstrasenplatzes. Der jetzige Verkaufsstand - das »rote Häuschen« - würde wegen seiner Abgelegenheit kaum frequentiert. Der andere Prüfauftrag beinhaltet eine »weitere Spielfläche am Heegstrauchweg.« Dabei geht es um »einen weiteren Kunstrasen oder eine adäquate, auch im Winter zu bespielende Fläche auf dem hinteren Rasenplatz.« Und darüber hinaus um die »zeitnahe Verbesserung der Trainings- und Spielbedingungen durch längere Öffnung des Rasenplatzes.

Begründet wird der Antrag damit, dass der MTV 1846 etwa 770 Mitglieder in den beiden Abteilungen Fußball und Football hat. Hinzu kommen knapp 100 aus anderen Freiluftsportarten des Vereins. »Fußball und Football stellen dabei inklusive ihrer überproportional großen Jugendabteilungen nicht nur mehr als ein gutes Drittel der Mitglieder des Gesamtvereins, sie stehen damit auch für die Zukunft eines der größten mittelhessischen Sportvereine.«

Um diese Entwicklung zu gewährleisten, sei eine zweite Spielfläche unabdingbar. Schon jetzt könne das Training in den einzelnen Jugendbereichen aufgrund der Mehrfachbelegung nicht altersgerecht gestaltet werden. Wartelisten für die Aufnahme neuer Kinder und Jugendlicher seien vonnöten. Dem Antragsteller sei bekannt, dass die Sanierung der Jahnhalle vom Vorstand priorisiert werde. Angesichts der Dringlichkeit der Platzprobleme solle jedoch die Prüfung einer Erweiterung auf dem Außengelände nicht nachrangig behandelt werden. Eine Umgestaltung des hinteren Platzes sei zwar mit hohen Kosten verbunden, jedoch »deutlich niedriger als der Neu- oder Umbau des Funktionsgebäudes.«

Der MTV 1846 gehöre zu den Vereinen mit den höchsten Mitgliedsbeiträgen. Das müsse sich »bei allem Verständnis für die schwierige finanzielle Situation auch im angemessenen Bedingungen für die den Verein tragenden Mitglieder widerspiegeln.«

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