Ganz Gießen vier Wochen lang unterm Regenbogen
Sozialausschuss will, dass die Stadt zum Freiheitsraum für LGBTIQ-Menschen wird.
Gießen. Mit den Stimmen der Koalition, der FDP und Gigg+Volt stimmte der Gießener Sozialausschuss gegen das Votum der CDU am Mittwoch für eine Resolution, in der sich die Stadtverordnetenversammlung zu ihrer Verantwortung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen (LGBTIQ) bekennt, und sich verpflichtet, diese vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen, ihre Rechte zu achten sowie Mechanismen zu entwickeln, die dies auch absichern.
Sanktionen gefordert
Entsprechend einer Entschließung des Europäischen Parlaments sollen die Stadtverordneten im »Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen« Gießen öffentliche Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von LGBTIQ-Menschen ergreifen, aber auch »Mechanismen der strukturellen Diskriminierung« dieser Minderheiten ausdrücklich sanktionieren. Zudem soll die Stadt das Vorgehen von Regierungen gegen die Rechte von LGBTIQ-Menschen sowie jede andere Form der Diskriminierung von LGBTIQ verurteilen.
Gießen ist ja bekanntlich bunt und wird, wenn der gemeinsame Antrag von Grünen, SPD und Gießener Linke im Parlament eine Mehrheit findet, künftig noch bunter werden. Bislang wurde in der Stadt nur während des Christopher-Street-Days der Regenbogen der Bewegung gehisst, künftig soll nun während des gesamten Pride-Monats Juni die Regenbogenfahne und/oder im Wechsel weitere Flaggen der LGBTIQ-Community über der Stadt wehen. Auch sollen die Partnerstädte ermuntert werden, es genauso zu machen.
»Symbolpolitik ändert nicht viel«
Obwohl selbst Angehöriger der zu unterstützenden Minderheit, wie er betonte, bat der CDU-Stadtverordnete Thiemo Roth um eine Ausweitung des Antrags auf andere Minderheiten, wie etwa religiös verfolgte Gruppen.
Roth kritisierte den Antrag zudem als reine Symbolpolitik: »Wenn außer dem Hissen der Regenbogenflagge nicht viel passiert, dann wird sich auch nicht viel ändern.«
Gerhard Merz sah das ganz anders und erinnerte an die jüngste Entscheidung des obersten amerikanischen Gerichtshofs, der die Entscheidung über das Recht auf Abtreibung an die einzelnen Bundesstaaten gegeben hatte, von denen es die ersten dann auch prompt abschafften.
»Wenn Sie sich die Situation in den USA anschauen, dann können Sie die Schrift an der Wand lesen«, sagte der Sozialdemokrat in die Richtung Roths. Dort würden LGBTIQ-Menschen, nicht nur diskriminiert, sondern ihnen würde das Existenzrecht abgesprochen. Um dem vorzubeugen, so Merz’ Fazit, müsse man schon in Kindertagesstätten über LGBTIQ aufklären. Auch andere Vertreter der Koalition sprachen sich gegen eine Ausweitung des Diskriminierungsbegriffs aus, weil das eine Verwässerung darstelle. Auch sei Homophobie auch ein Problem in Gießen und kein Träger eines Regenbogen-T-Shirts davor gefeit, auf der Straße beleidigt zu werden. Somit stieß der Unionsänderungsantrag bei der Koalition auf keine Gegenliebe. Daraufhin lehnte die CDU als einzige Fraktion die Resolution ab.
Hilfs-Inseln für Kinder
Einstimmig angenommen wurde dagegen ein CDU-Antrag zur Beteiligung am sogenannten »LEON Hilfe-Insel-Projekt« Mit speziellen Aufklebern an Ladentüren oder Schaufenstern sollen Kinder auf ihren Schulwegen über Anlaufstellen in Not informiert werden. In Situationen, die Kinder nicht einschätzen können, oder die ihnen gefährlich erscheinen, würde der »LEON«-Aufkleber Kindern signalisieren, dass sie hier Zuflucht und Schutz finden können.
Laut CDU war dieser Antrag früher bereits von der SPD und später der FDP gestellt und angenommen worden, ohne dass sich viele Kooperationspartner in der Stadt gefunden hätten, oder dass sich viel geändert habe, »Mal sehen, ob es jetzt besser läuft«, so Thiemo Roths Fazit.
Geprüft werden soll zudem, so der einstimmige Beschluss bei Enthaltung der CDU, ob Bezieher von Wohngeld, Jugendliche mit Berufsausbildungsbeihilfe und Familien, die den Kinderzuschlag der Familienkasse bekommen, künftig auch den Gießen-Pass erhalten können.