Geheimagent als Stargast

Stargast der Mitgliederversammlung der Volksbank Mittelhessen in der Gießener Kongresshalle war der ehemalige Geheimagent Leo Martin, der mit seinem Vortrag das Publikum verblüffte.
Gießen (fley). Die Coronapandemie hat die Volksbank Mittelhessen weniger gebeutelt als angenommen. Das machte Vorstandssprecher Dr. Peter Hanker anlässlich der Mitgliederversammlung der Volksbank Mittelhessen in der Gießener Kongresshalle deutlich. Im Anschluss an die Präsentation der Zahlen wurden die Teilnehmer in die Welt der Kriminalistik entführt.
Für die Bank ein gutes Jahr
Für den Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. Hubert Jung war es die letzte Mitgliederversammlung in seiner Funktion. Nach 15 Jahren im Aufsichtsrat scheidet Jung aus dem Aufsichtsrat aus. Bevor das jedoch der Fall ist, zeigte er sich zuversichtlich über die Entwicklung der Volksbank Mittelhessen. »Wir müssen uns wieder auf das Wesentliche rückbesinnen. Die Rahmenbedingungen für Banken sind durch die Ereignisse geprägt, aber 2021 war ein gutes Jahr für unsere Bank«, unterstrich Jung. Eine starke Volksbank Mittelhessen habe für die Region eine wichtige Bedeutung, die Einlagen der Mitglieder machten eine regionale Gestaltung erst möglich. Gedacht wurde zudem an Dr. Hans Günther Hohn, der im Februar verstarb. »Er begleitete die Fusionen unserer Bank bis hin zur Volksbank Mittelhessen. Sein Handeln stand im Einklang mit hohen ethischen Grundsätzen.«
Vorstandssprecher Dr. Peter Hanker machte im Geschäftsbericht deutlich, dass die Bank die Schwierigkeiten der Pandemie gut überstanden habe. »Corona war eine Herausforderung und vor allem die Mittelständler mussten kämpfen. Eine Pleitewelle ist aber nicht eingetreten. Der Coronaboom blieb leider aus, die Verbraucherinsolvenzen steigen gleichzeitig. Der Krieg in der Ukraine ist zudem eine extreme Belastung für uns alle. Rohstoffmangel, Lieferengpässe, steigende Energiepreise. Die Liste an Einschränkungen ist lang.« Die Volksbank Mittelhessen hat das Geschäftsjahr 2021 trotz der Pandemie mit einem guten Ergebnis abgeschlossen, betonte Hanker. Die Bilanz wächst auf über zehn Milliarden Euro und erreicht somit erstmals eine zweistellige Milliardensumme. Mit rund 1,7 Milliarden Euro haben die Neukredite im Berichtsjahr den Rekordwert aus dem Vorjahr nochmals übertroffen. Den Neukrediten standen im gleichen Zeitraum Tilgungen in Höhe von 960 Millionen Euro gegenüber.
Kundeneinlagen gestiegen
Getrieben von einer anhaltend hohen Sparquote stiegen die Kundeneinlagen im Berichtsjahr 2021 um 12,4 Prozent auf 8,186 Millionen Euro. Das entspricht einem Nettozuwachs von 900 Millionen Euro. »Angesichts der Pandemie und der damit einhergehenden Unsicherheit halten sich die Menschen beim Konsum noch zurück. Gleichzeitig betonen wir gerade beim Thema Inflation und Geldwertverlust: Reden Sie mit uns«, so Hanker.
Die Volksbank Mittelhessen schließt das Geschäftsjahr mit einem Bewertungsergebnis in Höhe von 63 Millionen Euro ab. »Wir werden 5,5 Prozent Dividende zur Auszahlung vorschlagen und können sagen. Wir können die Bank für die Zukunft stabil halten«, unterstrich das Vorstandsmitglied.
Impulsiv falsch
Als Stargast des Abends hatte die Volksbank Mittelhessen den ehemaligen Geheimagenten Leo Martin nach Gießen eingeladen. Martin verwandelte in seiner Performance die Kongresshalle zu einem Ort für Experimente und bezog das Publikum in seinen Vortrag mit ein. »Menschenkenntnis ist meine Lebensversicherung gewesen. Die Anwerbung von Vertrauenspersonen im kriminellen Milieu war mein Job«, unterstrich er. Oft würden Menschen sich nach Impulsen richten und dann falsch reagieren. Ein Beispiel gefällig? Alle Anwesenden sollten sich gleichzeitig beim Wort »jetzt« setzen, nachdem Martin das Auditorium aufforderte, zunächst aufzustehen. Der Agent redete und redete, lenkte das Publikum und zählte von drei herunter und machte eine Sitzgeste, ohne jedoch das Codewort »jetzt« zu verwenden. Wie erwartet, setzten sich rund 95 Prozent der Anwesenden. »Wir unterliegen im Alltag bestimmten Mustern. Die Muster können uns hemmen und Potenzial kosten, denn vieles läuft währenddessen auf Autopilot«. Martin nutzte ein Beispiel aus der Vernehmungslehre. »Wir Menschen sind Herdentiere und vieles gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. Unser Gehirn ist aber eine Bildverarbeitungsmaschine und keine Textverarbeitung. Wenn wir also sehen, dass sich jemand hinsetzt, ahmen wir das unbewusst nach.«
Martin interagierte aktiv mit dem Publikum und ließ die Zuschauer mitmachen. »Wir spüren die Gesinnung unseres Gegenübers sehr schnell. Kriminalistik ist die Kunstform, sein Gegenüber innerhalb von wenigen Minuten möglichst präzise einzuschätzen. Einmal gemachte Beobachtungen haben keine Aussagekraft, erst Muster machen das möglich.«
Der Agent bat vier Zuschauer auf die Bühne und ließ sie aus einem Sack Bälle ziehen. »Einer von den vier Personen hat einen schwarzen Ball. Alle sollen mich jetzt belügen und mit Überzeugung sagen, dass sie den schwarzen Ball haben«, begann Martin das Experiment. »Der Mensch lügt angeblich bis zu 200-mal am Tag. Manche in meinem Beruf schaffen das bis zur Mittagszeit, auch wenn sie erst um elf aufstehen.«
Zwei Varianten
Der frühere Geheimdienstler erläuterte explizit, wie Menschen lügen und wie man dies entlarvt: »Profiling funktioniert teilweise sogar im Alltag. Wenn das Normalverhalten abweicht, dann wird man stutzig. Dann geht Lügen in zwei Richtung: Scham oder ein Blick aus Stahl.« Schlussendlich fand der Profiler heraus, wer den schwarzen Ball hat. »Das wäre jetzt peinlich gewesen, hätte ich mich für die falsche Person entschieden, ich war mir nur zu 60 Prozent sicher«, so Martin lachend.