Gespart wird an anderer Stelle

Eine Umfrage unter Reiseveranstaltern der Region zeigt: die Nachfrage zieht nach Corona wieder mächtig an. Viele zieht es ins Ausland, viele auch an exotische Orte.
Gießen. Die Frühbucher sind zurück - so lautet das positive Fazit der deutschen Reiseveranstalter. Selbst die hohe Inflation hat der Reiselust der Deutschen keinen Abbruch getan. »Wir sind mit Vollgas ins neue Jahr gestartet«, betont der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig. Im Januar wurden hierzulande nach Daten des Analysehauses TDA Veranstalterreisen für mehr als drei Milliarden Euro in Reisebüros oder online auf klassischen Reiseportalen gebucht. Der Buchungsumsatz übertraf das Vor-Coronaniveau von Januar 2019 um zwölf Prozent.
Das kann Niklas Göbel nur bestätigen. »Der Januar war rekordverdächtig«, freut sich der Inhaber der Flugbörse in Gießen. »Da die Osterferien drei statt der sonst üblichen zwei Wochen dauern, haben einige Bucher gleich für April und Sommer gebucht.« Nicht wenige Reiselustige würden die langen Osterferien für Fernreisen,etwa in die Karibik, die USA oder Asien nutzen.
Fernreisen sind wieder im Trend
Im Sommer stünden dann Klassiker wie Spanien, Griechenland, Portugal oder Italien hoch im Kurs. Vor allem Inselurlaube erfreuten sich großer Beliebtheit. »Den Deutschen ist ihr Urlaub sehr wichtig«, unterstreicht er im Gespräch mit dem Anzeiger. Gespart werde dann eben an anderer Stelle. Und dies obwohl die Preise im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen seien. »Mal eben von Frankfurt nach London für 19 Euro, das gibt es nicht mehr.« Darüber hinaus seien Kurzstreckenflüge reguliert worden.
Die Zeit der Last-Minute-Angebote ist Göbel zufolge schon lange vorbei. Eher das Gegenteil sei der Fall: Je früher man buche, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, einen günstigen Flug zu bekommen. Der Fachbegriff hierfür laute »Upsale«. Aus diesem Grund rät der Fachmann seinen Kunden, Reisen frühzeitig zu buchen. Bei Flügen sei dies bis zu elf Monate im voraus möglich.
Auch Tatjana Ternik, Büroleiterin von reise.coop in Gießen, ist mehr als zufrieden: »Wir erfreuen uns einer enorm hohen Nachfrage.« Besonders verwundert ist sie darüber, dass es in den langen Osterferien viele Reisende nach Afrika zieht. »Die begehrtesten Ziele heißen Sansibar und Kenia«, erzählt sie. Auf einen Deutschlandurlaub kämen aktuell drei Afrikaurlaube. »Vor Corona war das nicht der Fall.«
»Nach der Pandemie wollen die Menschen wieder mehr reisen«, so ihr Fazit. Der Run auf das Reisebüro habe bereits im November vergangenen Jahres begonnen. Neben Griechenland, der Türkei, den Kanaren und der Dominikanischen Republik seien auch die Benelux-Länder gut nachgefragt. Innerhalb Deutschlands ständen Rügen und die Ostsee ganz weit oben auf der Liste der beliebtesten Destinationen.
»Jeder möchte raus und wieder ohne Einschränkungen verreisen«, lautet das Fazit von Angela Längsdörfer vom Holiday Land Pegasus Reisebüro Gießen. Bereits Mitte vergangenen Jahres habe der Ansturm auf Reisen wieder begonnen und das Vor-Corona-Niveau sei längst getoppt. Im Hinblick auf die gestiegenen Reisekosten würden sich aber Familien aktuell eher etwas zurückhalten oder eher abgespeckte Ferien buchen. »Statt zehn Tagen werden es dann eben sieben oder acht«, er-klärt sie.
Umsätze gehen durch die Decke
Währen Reisen in den Osterferien bei Holiday Land Pegasus weniger nachgefragt sind, boomen die Folgewochen, »wenn es schon etwas wärmer ist«. Hoch im Kurs stehen dabei Griechenland, die Türkei, Spanien und Kreuzfahrten. Weniger beliebt sind nach Auskunft Längsdörfers Rundreisen - unabhängig vom Land. »Es ist auch schon vorgekommen, dass Rundreisen aufgrund einer zu geringen Teilnehmerzahl nicht stattfinden konnten.« Ihren Kunden rät die Expertin gerade in der heutigen, streik belasteten Zeit zu Pauschalreisen. »Bucht man Flug und Hotel separat und der Flug fällt aus, bleibt man auf den Kosten für das Hotel sitzen.«
»Bei uns knallen die Umsätze durch die Decke«, freut sich Rudi von Bünau, Geschäftsführer des Reisecentrums in Linden. »Die Menschen sehnen sich nach einem Urlaub mit Sonne und Strand.« Daher habe auch die Nachfrage nach Deutschlandreisen bei ihm erheblich nachgelassen. Im Trend lägen Fernreisen, allen voran die Karibik, Mexiko sowie die USA. »Wir reden hier von 150 Prozent mehr Buchungen als im Vorjahr.«
Innerhalb Europas hätten die Kanaren um 50 Prozent und Griechenland um 46 Prozent zugelegt. Und noch eine Beobachtung hat von Bünau gemacht: »65 Prozent aller bei uns gebuchten Reisen sind Pauschalreisen.« Die Sicherheit, die ein Reiseveranstalter biete, werde zunehmend geschätzt.
Leuten, die über genügend Geld verfügten, würden die gestiegenen Preise nichts ausmachen, Leute mit weniger Geld hingegen seien oftmals frustriert. Rudi von Bünau kritisiert, dass Zwei- bis Drei-Sternehäuser mit nicht so guten Bewertungen aktuell Preise nehmen würden wie vor drei Jahren Vier-Sternehäuser mit guten Bewertungen. »Da werden Menschen, die sparen wollen, noch übers Ohr gehauen.« Auf solche Fälle würde er allerdings seine Kunden sofort aufmerksam machen. »Die gute Beratung in einem Reisebüro lässt sich eben nicht durchs Internet ersetzen.«