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Geweihte Erde auf Neuem Friedhof

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Sieben Mal umrundet die »Minjan« das Gräberfeld. Fotos: Schwaeppe © Schwaeppe

Für die Jüdische Gemeinde in Gießen ist ein neues Gräberfeld eingerichtet worden. Die schnellstmögliche Bestattung der Verstorbenen gilt als höchste religiöse Pflicht.

Gießen. Langsamen Schrittes und Gebete murmelnd umrundet eine zehnköpfige Männergruppe ein mit vier Holzpflöcken abgestecktes Rasenstück auf dem Neuen Friedhof. Voran schreiten die beiden Rabbiner Schimon Großberg und Mendel Gourevitz. Insgesamt sieben Runden drehen sie so um das kleine Areal. Nach jeder Runde bläst Rabbi Großberg in die gebogene Schofar, ein Widderhorn. Mit dem ungewöhnlichen Klang des Horns soll die Kraft der Gebete, die zu Gott gelangen, verstärkt werden.

Leitendes Motiv der Zeremonie

Nach diesem Ritual ist das neue jüdische Gräberfeld auf dem Rodtberg nun geweihte Erde - ein Ort, auf dem Jüdinnen und Juden ihre letzte Ruhe finden. Ein Ort für die Ewigkeit, denn jüdische Gräber werden nicht neu belegt und es gibt auch keine Ruhefrist. »Für uns ist die schnellstmögliche Beerdigung unserer Verstorbenen die höchste Pflicht«, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gießen, Dow Aviv. Das gelte für Familienangehörige und auch für Fremde. Die »Halacha«, das jüdische Gesetz, schreibe dies vor. »Die Rückkehr des Menschen zur Erde, von wo er auch herstammt, ist für Juden das leitende Motiv in der Bestattungszeremonie.«

Gegenüber Gott sind alle gleich

Der Mensch komme sauber und bloß zur Welt und so solle er auch wieder zu Gott heimkehren. Daher sei der Kontakt des Verstorbenen mit der Erde ein absolutes Gebot. Der Leichnam werde stets gewaschen und anschließend in weiße Tücher gewickelt. Der in Deutschland vorgeschriebene Sarg sei bei jüdischen Beerdigungen schlicht und aus dem einfachsten Holz gefertigt. »Gegenüber Gott sind wir alle gleich«, so Aviv, der bei der Zeremonie auch Gerda Weigel-Greilich und Klaus-Dieter Grothe als Vertreter der Stadt begrüßte. Pfarrer Dr. Gabriel Brand war für die Evangelische Kirche zugegen. Auch Polizei war in gebührendem Abstand vor Ort.

Das neue Gräberfeld befindet sich recht weit entfernt von dem alten Teil des jüdischen Friedhofs, der auf dem Rodtberg rund um die jüdische Trauerhalle angelegt ist. Diese wurde in den Jahren 1904 bis 1907 errichtet. Für Trauernde ist es nun ein ordentlicher Weg bis hinunter zum neuen Feld. Für manchen betagten Hinterbliebenen zudem noch beschwerlich. »Wir sind bereits in Gesprächen mit der Stadt Gießen, ob es nicht die Möglichkeit gibt, Elektrofahrzeuge einzusetzen«, so Dow Aviv. Rabbi Großmann bedankte sich bei allen Anwesenden. Insbesondere bei den Männern aus der Gemeinde, von denen einige bereits hochbetagt sind und die trotzdem alle Runden mitgegangen sind. Erst ab zehn Männern, der sogenannten »Minjan«, dürfen nach orthodoxem Gebot Gottesdienste abgehalten werden. »Hoffentlich dauert es noch lange, bis wir hier wieder zusammenkommen müssen«, sagte der Rabbi.

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Der Rabbi und die Schofar. © Sonja Schwaeppe

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