Gezielte Tötung von Journalisten

Gießen (red). Auf die Bedrohung und Verfolgung von Schriftstellern und Journalisten wollen Studierende der Justus-Liebig-Universität (JLU) aufmerksam machen. Deshalb haben die jungen Leute im Jahr 2008 die Initiative Gefangenes Wort gegründet, die sich längst zu einem Verein weiterentwickelt hat. Um noch intensiver auf Einzelschicksale hinzuweisen, kooperiert der Anzeiger mit dem Verein und stellt jeweils zu Beginn des Monats einen Fall auf der Hochschulseite vor.
Heute berichtet Madelyn Rittner über Medienschaffende, die Opfer des russischen Angriffskriegs in der Ukraine geworden sind. Acht von ihnen wurden laut Reporter ohne Grenzen (RSF) aufgrund der Invasion bereits getötet. Damit lässt sich ein Viertel der bisher in 2022 aufgrund ihrer Arbeit getöteten Journalisten auf den Krieg zurückführen. Deutschlandfunk nennt in einem Bericht vom 31. Mai sogar die deutlich höhere Zahl von 32 seit Kriegsbeginn ermordeten Medienschaffenden. Hinzu kommen 16 durch Schusswaffen Verletzte und mehr als 50 von RSF dokumentierte Angriffe, von denen über 120 Reporter betroffen sind.
Zuletzt veröffentlichte RSF am 22. Juni einen Bericht, der bestätigt, dass der am 1. April tot aufgefundene Journalist Maxim Levin und sein Freund und Bodyguard Oleksiy Chernyshov von russischen Soldaten am 13. März kaltblütig ermordet und möglicherweise zuvor gefoltert wurden. Während Levin erschossen wurde, gibt es Hinweise darauf, dass Chernyshov bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Man fand die beiden in einem Wald nahe des Dorfes Huta-Mezhyhirska, 20 Kilometer nördlich von Kiew. Levin hatte am 10. März seine Kameradrohne mit Kriegsaufnahmen im Wald verloren. Obwohl Teile des Gebiets drei Tage später bereits von russischen Soldaten okkupiert waren, begaben er und Chernyshov sich auf die tödlich endende Suche nach der Drohne. Der 40-jährige Levin war vierfacher Vater und arbeitete unter anderem für das ukrainische Nachrichtenportal LB.ua und die Nachrichtenagentur Reuters. Er berichtete bereits 2013 über die Maidan-Proteste und auch über die Besetzung der Krim. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung war er unbewaffnet und trug eine Pressejacke.
Zuletzt verstarb am 30. Mai der französische Videoreporter Frédéric Leclerc-Imhoff auf dem Weg zu Dreharbeiten in der Ostukraine. Der für den Nachrichtensender BFMTV tätige Journalist wurden von einem Geschosssplitter, der durch die Windschutzscheibe seines gepanzerten Fahrzeugs eindrang, tödlich am Hals verwundet. Frankreich ermittelt aufgrund dessen wegen Kriegsverbrechen, wie der Deutschlandfunk berichtete. Leclerc-Imhoffs Kollege Maxime Brandstaetter und die ukrainische Fixerin Oksana Leuta, die mit ihm im Fahrzeug saßen, wurden leicht verletzt.
Russland geht im Krieg auf vielfältige Arten gegen die Medien vor. Zehn Angriffe auf ukrainische Fernsehtürme durch russischen Beschuss dokumentiert allein RSF. Auch Einschüchterungsmethoden werden angewandt. So wurden am 8. März in der Stadt Berdjansk laut Lyudmyla Denisova, der ukrainischen Ombudsfrau für Menschenrechte, ungefähr 50 Journalisten entführt und über mehrere Stunden festgehalten, gezwungen, persönliche Daten von Kollegen herauszugeben und teils auch verprügelt. Der Vater der Journalistin Switlana Salisetska wurde für drei Tage als Geisel genommen, um sie zur Kooperation zu zwingen.
Tragisch auch der Tod des litauischen Dokumentarfilmers Mantas Kvedaravicius, der in der Stadt Mariupol filmte und beim Versuch, die von russischen Truppen belagerte Stadt zu verlassen, am 3. April ermordet wurde. Sein Film »Mariupolis«, in dem er bereits die Belagerung Mariupols im Jahr 2014 dokumentierte, lief 2016 auf der Berlinale. Laut RSF wurde seine Leiche mit Brandwunden und gebrochenen Beinen gefunden, gestorben sei er jedoch an einer Schusswunde. Litauen ermittelt nun wegen Kriegsverbrechen.
Auch wenn hier nicht für alle Einzelschicksale Raum ist, seien doch die Namen der weiteren ermordeten Journalisten genannt: Oxana Wiktorowna Baulina (Russland), Oleksandra Kuvshynova (Ukraine), Brent Renaud (USA), Jewgeni Sakun (Ukraine), Pierre Zakrzewski (Frankreich/Irland).