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Gießen soll von Bottrop lernen

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Gießen (red). Gießen will bis 2035 klimaneutral sein. Bis dahin müssten 640 000 Tonnen Kohlendioxid, die 2019 von Gebäuden, Gewerbe und Straßenverkehr auf dem Territorium der Stadt noch emittiert wurden, verschwunden sein, rechnet der Mieterverein vor. Doch dieses Ziel scheint mit den jetzigen Anstrengungen der Stadt zeitlich in weiter Ferne zu liegen und kaum erreichbar zu sein, heißt es in einer Pressemitteilung.

Es bedarf ganz erheblicher Veränderungen auf verschiedenen Gebieten in der Stadt und ein zentrales Feld ist der Wohngebäudesektor, so der Mieterverein und verweist auf die erfolgreichen Klimaanstrengungen der Stadt Bottrop, die Gießen sich zum Vorbild nehmen sollte.

Vor allem die vielen privaten Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssten dazu gebracht werden, in den Klimawandel zu investieren und die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen in und an ihren Häusern zügig in Angriff zu nehmen. Nach einer Umfrage unter Wohnungseigentümer*innen sei festgestellt worden, dass sie es deutlich schwerer haben als Hauseigentümer*innen, energetische Sanierungen auf den Weg zu bringen und umzusetzen. 62 Prozent fühlten sich nicht informiert, 30 Prozent nur teilweise informiert. Gerade einmal acht Prozent hielten sich für gut beraten und aufgeklärt, um in der Eigentümerversammlung Beschlüsse fassen zu können. Dabei seien viele Wohnungseigentümer*innen interessiert und vielfach initiativ. Es fehle ihnen aber an Wissen und Werkzeug, es mangelt an Informations-, Beratungs-, Unterstützungsangeboten und Förderprogrammen speziell für Wohnungseigentümergemeinschaften, so die Kritik.

»Die größte Herausforderung ist: Wie nimmt man Einkommensschwachen die Angst, in den ökologischen Umbau ihrer Wohnungen und Häuser zu investieren? Viele, vor allem ältere Eigentümer scheuen vor Investitionen zurück, weil sie erhebliche Mittel verschlingen, die sich in ihrer Lebensspanne nicht rechnen. Also unterbleiben die Maßnahmen und die Aufgabe wird an die Erben weitergereicht. Damit wird aber kostbare Zeit verschenkt, die wir nicht mehr haben«, so der Mieterverein.

Die Industriestadt Bottrop im nördlichen Ruhrgebiet mit 117 000 Einwohnern hätte in nur zehn Jahren den CO2-Ausstoß halbiert und die Stadt gelte längst als Vorbild bei der Erreichung der Klimaziele einer Kommune. Viel Energie wurde in Bottrop gerade in den Wohnhäusern eingespart, vor allem mit Hilfe einer gezielten intensiven Beratung und einer flexiblen Förderung. Inzwischen würden dort jedes Jahr fünfmal so viele Häuser energetisch modernisiert wie im Bundesdurchschnitt.

Als möglichen Grund sieht der Mieterverein, dass die Bottroper Stadtverwaltung eine erfahrene Firma engagiert hat, die die Beratungsaufgabe leistet: InnovationCity-Management. Und der Oberbürgermeister gründete eine Initiative »InnovationCity« und machte sie zur Chefsache. 300 unterschiedliche Projekte wurden in Gang gesetzt. So entstand ein Masterplan: Mehr Grün in die Städte, Böden entsiegeln, Verkehr reduzieren, E-Mobilität fördern und den Bürgern zeigen, wie sie in ihrem Alltag Energie sparen können. Der Mieterverein Gießen ist überzeugt: »Von diesem Beispiel kann Gießen viel lernen, wenn der Magistrat das Ziel der Klimaneutralität nicht nur als Lippenbekenntnis betrachtet, sondern es ernsthaft erreichen will.«

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