Gießens Geschichte sichtbar machen

Lawrence de Donges-Amiss-Amiss und seine Mutter Jennifer hatten vor einiger Zeit die Patenschaft für das alte Straßenschild »Judengasse« übernommen. Nun wurde es montiert und eingeweiht.
Gießen (fley). Für Lawrence de Donges-Amiss-Amiss, Mitglied der jüdischen Gemeinde Gießens und Präsident der Deutsch-Englischen Gesellschaft, war die Enthüllung »seines« Schildes ein bewegender Moment. Er und seine Mutter Jennifer de Donges-Amiss-Amiss hatten vor einiger Zeit die Schilderpatenschaft für die frühere Judengasse übernommen.
Initiator Jan-Patrick Wismar zeigte sich glücklich, dass ein weiteres Stück Gießener Geschichte wieder sichtbar wurde. »Gerade die Judengasse ist ein wichtiger Teil der Gießener Geschichte und umso mehr freue ich mich darüber, dass dieses Schild einen würdigen Platz gefunden hat«, so Wismar. Das Schild, platziert an der Außenwand der Firma »Elektro Lich«, war anfangs noch ein kleines Politikum.
Kompromiss gefunden
Als Wismar bei der Firma vorstellig wurde, waren Ressentiments gegen eine Anbringung an der Außenwand vorhanden. Als dann sowohl Wismar wie auch de Donges-Amiss-Amiss mit dem Geschäftsführer sprachen, fand das Trio einen Kompromiss. Eingeweiht wurde das Schild während der Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen der Partnerschaft zwischen Gießen und Winchester, unter anderem unter den Augen der Bürgermeisterin von Winchester, Vivian Achwal.
Der erste Nachweis eines Juden in Gießen stammt aus dem Jahr 1341. Aktenkundig als Judengasse wurde das Quartier erstmals 1573. »Die wechselvolle Geschichte der Juden mit zeitweiligen Vertreibungen aus Konkurrenz- und Glaubensgründen führte in Gießen bis etwa 1720 zum fast völligen Stillstand des jüdischen Lebens. Für die zunehmende Integration der Juden in die Gießener Bürgerschaft war die Tätigkeit des Rabbiners Benedict Levi eine treibende Kraft«, sagte Wismar. 1880 erwirkte Levi auf dem Höhepunkt seines Ansehens die offizielle Tilgung des Namens Judengasse, ein »mittelalterliches, zweck- und gegenstandsloses Überbleibsel«. Seit dieser Zeit wird sie als Rittergasse geführt.
Im Zuge der Schilderaktion durch die Bürgerinitiative »Historische Mitte Gießen«, die in regelmäßigen Abständen frühere Straßenschilder an historisch bedeutende Orte in der Stadt anbringt, wurden am Wochenende weitere Schilder abseits der Judengasse montiert. So etwa die Kornblumengasse, welche im Viertel der damaligen »Neuen Stadt« außerhalb der mittelalterlichen Ringmauer lag. Deren Bewohnern wurde 1325 durch den hessischen Landgrafen Otto I. dieselben Rechte wie den Bürgern innerhalb der Mauern gewährt. Als Sackgasse ist die Kornblumengasse erstmals auf Plänen von 1759 im Hessischen Staatsarchiv zu finden. Dagegen tauchte der Namen der Gasse 1883 neu auf. Die dortigen, wenigen Häuser und Ställe wurden vorher zur Straße Neustadt gezählt. 1912 entstand durch den Abriss der Häuser Neustadt 16 und 18 eine platzartige Einsicht in die Kornblumengasse. Neben der Kornblumengasse fanden noch die Kirchstraße, die Hintergasse, sowie das Schild des Alten Rathauses ihren Platz in Gießens Stadtbild. Initiator Jan-Patrick Wismar kündigte für den Herbst prompt die nächste Schilderaktion an.