»Gottes Auftrag an mich«

Nach 17 Jahren als Präses der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland gibt Jürgen Schmidt sein Amt in jüngere Hände. Auf den 70-jährigen Lützellindener folgt Detlef Schröder.
Gießen. 17 Jahre lang hat Jürgen Schmidt aus Lützellinden ehrenamtlich als Präses die Evangelische Gesellschaft für Deutschland (EGfD) geleitet. Der 70-Jährige hat nun angekündigt, die Aufgabe in jüngere Hände abzugeben.
Als Präses, also ehrenamtlicher Vorsitzender, hat der ehemalige Eisenbahner die Geschicke des 7500 Mitglieder zählenden Gemeindeverbandes mit verantwortet, der 61 Gemeinden in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen unterhält. Das Amt sei damals überraschend auf ihn zugekommen, erinnert sich Schmidt. »Vielleicht bin ich aufgefallen, weil ich schon damals meine Meinung gesagt habe, wenn mir etwas aufgefallen ist, das ich anders machen würde«, meint der Lützellindener.
Als die Amtszeit von Präses Ewald Gräb (Ehringshausen) zu Ende ging, kam der damalige EGfD-Direktor Volker Heckl aus Radevormwald im Bergischen Land in den Gießener Stadtteil und fragte, ob Jürgen Schmidt sich vorstellen könnte, das Präsesamt zu übernehmen. »Ich habe mir Bedenkzeit ausgebeten. Mit meiner Frau Dorothea, dem Arbeitgeber, der Deutschen Bahn, und mit Gott das Gespräch gesucht«, berichtet er. Rund ein Jahr hat er sich für seine Antwort Zeit gelassen, die dann ein »Ja« war. Schmidt ist in der Evangelischen Gemeinschaft Lützellinden sowie dem Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) groß geworden.
Schon die Eltern gehörten dazu. Mit 17 Jahren und dem Fachabitur der Gießener Liebigschule in der Tasche ging er zur Deutschen Bundesbahn. Daraus wurden 45 Jahre, zuletzt 20 Jahre in leitender Funktion als Kaufmännischer Leiter bei DB Personalservice mit rund 1000 Mitarbeitern. Ab 2007 hat er sein Engagement bei der Bahn auf 80 Prozent reduziert, so dass er einen Tag in der Woche für das Präsesamt zur Verfügung hatte.
In der Evangelischen Gemeinschaft war Schmidt einige Jahre als Chorleiter aktiv und später zwölf Jahre als Leiter dieser Gemeinde. Diese Aufgabe hat er 2009 aufgegeben, um mehr Zeit für die Aufgaben in Radevormwald zu haben. Dort hatte er regelmäßige Sitzungen der Leitungsgremien vorzubereiten. »Durchschnittlich einmal im Monat fahre ich die 140 Kilometer über die Siegerland-Autobahn«. In den 17 Jahren sind dabei rund 30 000 Kilometer zusammen gekommen. Dazu kommen Besuche in den Gemeinden sowie Predigtdienste. Nicht alle Gemeinden liegen weit entfernt. Solche Gemeinden gibt es beispielsweise in Langgöns-Dornholzhausen, Hüttenberg mit den Ortsteilen Rechtenbach, Hochelheim, Reiskirchen und Weidenhausen sowie im Lahn-Dill-Kreis etwa in Aßlar, Ehringshausen, Schöffengrund-Laufdorf und Waldsolms-Kröffelbach.
»Ich hatte keine Ahnung, was da auf mich zukommt«, schildert Schmidt im Rückblick. »Aber ich habe es verstanden als Gottes Auftrag an mich«. Die Arbeit bei der Bahn und das Engagement als Präses hätten sich gegenseitig befruchtet. »Einerseits konnte ich die christlichen Werte in meinem Arbeitsalltag einbringen. Andererseits hat der Blick auf die Zahlen geholfen, im Ehrenamt die Konsequenzen kaufmännischer Themen zu durchdenken und entsprechend zu handeln.« In seine Amtszeit sind einige Entscheidungen gefallen, die über diese Zeit hinaus bleiben: Zum einen hat die Leitung entschieden, die Jugendbildungsstätte mit 160 Betten komplett umzubauen. Zum anderen wurde aus der ehemaligen Körperschaft altpreußischen Landrechts eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Blick auf die 17 Jahre als Präses sagt Schmidt: »Was mich am meisten gefreut hat, ist, dass ich erlebt habe, wie sich Dinge entwickelt haben, die ich nicht allein stemmen konnte. Ich war umgeben von hochmotivierten Menschen und habe Gottes Wirken erlebt. Die Zeit hat mich reich an Erfahrungen gemacht. Ich durfte dabei sein und schaue nun dankbar zurück«. Eigentlich wollte der Lützellindener sich bereits mit 69 Jahren zurückziehen. Doch das Präsidium hat ihn gebeten, noch ein Jahr zu bleiben. Nun ist ein Nachfolger gefunden: Detlef Schröder (53). »Er gehört schon lange zum Leitungsgremium und kennt sich aus«, freut sich Schmidt. Die Evangelische Gesellschaft für Deutschland wird den 70-Jährigen in einem würdigen Rahmen verabschieden.
1848 als Missionsgesellschaft in Wuppertal gegründet, blickt der Gemeindeverband auf sein 175-jähriges Bestehen zurück. Im Rahmen der Jubiläumsfeier wird Schmidt am 3. September aus der Verantwortung entlassen und Schröder eingeführt.
Wie er die Zeit nun füllt? Da wird Jürgen Schmidt nicht bange. Gerne ist er mit seiner Frau auf Reisen unterwegs. Vier Kinder und elf Enkel, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und den USA leben, gilt es zu besuchen. Schmidts haben zudem ein gastfreundliches Haus und empfangen gerne Besuch. Zudem ist Jürgen Schmidt seit vielen Jahren in der Christlichen Vereinigung deutscher Eisenbahner aktiv, die sich heute »Rail Hope« nennt. Er ist Mitglied im Trägerverein von »ERF - Der Sinnsender« in Wetzlar und hält dort in Abständen Radioandachten. Auch in der örtlichen Gemeinde will er weiter dabei sein.