Grandioses Chor-Experiment gelungen

Gießen (bcz). Chormusik auf höchstem Niveau erlebten die Besucher beim Konzerttreffen des Europäischen Kammerchors aus Köln und Cantabile aus Limburg in der Bonifatiuskirche. Unter dem Thema »The Art of Choirs. Begegnungen - Klangfarben« sang jedes der beiden Ensembles zunächst ein eigenes Programm, bevor sie sich für die Messe op. 36 von Charles-Marie Widor zusammentaten - und alle Erwartungen übertrafen.
Beide Chöre lieferten ein Konzert mit nahezu ausschließlich geistlichen Liedern, ganz im Sinne der Fastenzeit. Los ging es mit Cantabile aus Limburg unter der Leitung von Jürgen Faßbender. Feinfühlig lieferte der Männerchor mit sechs Stücken einen musikalischen Überblick von Felix Mendelssohn Bartholdy (Beati mortui) bis zu dem zeitgenössischen Komponisten Vytautas Miškinis (»And death shall have no dominion«, Text von Dylan Thomas). Ob »zwei Sprüche aus der Kapelle zu Mauersberg« von Rudolf Mauersberger oder Pablo Casals »o vos omnes«: Der Chor brillierte mit klaren Interpretationen.
Wie unterschiedlich die Klangwelten sein können, wurde durch den Auftritt des Europäischen Kammerchors unter der Leitung von Michael Reif deutlich. Der gemischte Chor aus Köln bot sich bestens vorbreitet und präsentierte seinen Part ebenso strukturiert wie präzise. Der Vortrag umspannte geistliche Lieder vom Frühbarock-Komponist Heinrich Schütz bis hin zu zeitgenössischen Spirituals.
Beide Chöre interpretierten jeweils zwei Werke der gleichen Komponisten und machten dabei die Unterschiede zwischen einem Männerchor und einem gemischten Chor für jedermann erlebbar. Während Cantabile ein Kyrie von Jan Sandström intonierte, stimmte der Kammerchor ein Sanctus des Schweden an. Auch zwei Stücke von Mendelssohn Bartholdy fanden sich in den jeweiligen Programmen wieder: Cantabile präsentierte das »Beati mortui«, der Kammerchor erwiderte dies mit »Herr, Gott, du bist unsre Zuflucht für und für«.
Der Höhepunkt dieser musikalischen Begegnung war die gemeinsame Aufführung der Messe op. 36 des französischen Organisten Charles-Marie Widor (1844-1937). Sie ist für zwei Chöre und zwei Orgeln geschrieben und birgt einige Tücken, die eine Aufführung erschweren. »Wir hatten schon lange diese Aufführung hier in Gießen geplant«, erzählte Michael Reif im Anschluss, denn St. Bonifatius verfügt über zwei klangkräftige Instrumente, die für das Werk notwendig sind. Leider wurde aber nichts aus dem Wechselspiel der beiden Orgeln, da ein Organist erkrankte und Regionalkantor Michael Gilles das Werk in einer Bearbeitung für eine Orgel alleine spielte.
Beide Ensembles waren zudem räumlich getrennt. Der Männerchor war oben auf der Empore bei der Eule-Orgel platziert, während der Kammerchor den Altarraum füllte, so dass das Publikum zwischen beiden Klangkörpern saß. Die musikalischen und akustischen Schwierigkeiten, die ein solcher Aufbau mit sich bringt, meisterten sie mit Bravour - obwohl sie zuvor nie miteinander musiziert haben. So sorgte Gießen für ein Experiment, das sich gelohnt hat.