Grund genug für eine Mietminderung?

Im Hochhaus in der Heinrich-Will-Straße 13 in Gießen fällt gut drei Wochen lang der Aufzug aus. Die Kritik: Für ältere und gehbehinderte Menschen bedeute das eine »unfreiwillige Gefangenschaft«.
Gießen. Je höher ein Gebäude, desto mehr Überwindung kostet es wohl, die Treppen und nicht den Aufzug - falls vorhanden - zu benutzen. Das geht selbst vielen jüngeren Zeitgenossen so. Ältere und gehbehinderte Menschen haben angesichts körperlicher Beeinträchtigungen aber oft gar keine andere Wahl, als in den Fahrstuhl zu steigen und sich damit in ihre weiter oben gelegene Wohnung befördern zu lassen. Fällt der Lift dann aus, kann das mitunter erhebliche Probleme mit sich bringen. In der Heinrich-Will-Straße 13 ist das zum Beispiel gerade der Fall. In dem achtstöckigen Haus der Wohnbau GmbH muss die Anlage nämlich turnusgemäß aufgrund veralteter Technik erneuert werden. Grundsätzlich sei das positiv, meint der Mieterverein Gießen. »Aber leider hat die Sache einen Haken«, denn für viele Mieterinnen und Mieter bedeute diese Maßnahme »eine dreiwöchige unfreiwillige Gefangenschaft«. Ist das also ein Anlass, die Miete zu reduzieren? Nein, sagt die Wohnbau - und erläutert auch, warum.
»Auf neuestem Stand der Technik«
In ihrem Bestand von circa 450 Gebäuden hat die städtische Tochtergesellschaft aktuell 76 Aufzüge im Einsatz. Diese sollen es natürlich leichter machen, höhere Etagen ohne Anstrengung zu erreichen, teilweise werde dadurch auch »ein barrierearmer Zugang in den Obergeschossen ermöglicht«, sagt Susann Balser-Hahn, Referentin Unternehmenskommunikation, auf Anfrage des Anzeigers. Rund 80 Prozent davon seien »auf dem neuesten Stand der Technik«. Um dieses Level dauerhaft zu halten und zudem Stillstände zu verringern, lasse die Wohnbau GmbH ihre Anlagen vierteljährlich von einer Fachfirma warten und etwa alle 20 bis 25 Jahre modernisieren. »Bei diesen planbaren Arbeiten werden Motoren und Steuerungen ausgetauscht, was zu einer Funktionsunterbrechung von mehreren Tagen führt«, so Balser-Hahn. In der Heinrich-Will-Straße seien dafür nun zwei bis drei Wochen veranschlagt.
Insbesondere die älteren Mieter mit Rollator oder gar Rollstuhl seien von diesem Ausfall am stärksten betroffen, beklagt der Mieterverein. »Sie können weder selbstständig einkaufen gehen noch zum Arzt.« Und weil diese Einschränkung in einem mehrstöckigen Wohnhaus einen Mangel darstelle, wird empfohlen, gegenüber der Wohnbau GmbH schriftlich zu erklären, dass die Miete für Februar und gegebenenfalls März nur »unter Vorbehalt einer Mietminderung« gezahlt werde. Ferner sei festzuhalten, wie lange der Lift außer Betrieb genommen war, um nach abgeschlossener Reparatur genau zu berechnen, »welcher Betrag zurückverlangt wird«.
Man wisse selbstverständlich, dass die Situation für die Bewohnerinnen und Bewohner »unangenehm ist«, versichert Susann Balser-Hahn. Deshalb stimme sich der Kundenservice individuell mit allen ab, »um eventuell nötige Hilfeleistungen rechtzeitig organisieren zu können«.
Umlage der Kosten möglich
Eine Berechtigung, die Miete zu mindern, vermag das kommunale Unternehmen allerdings nicht zu erkennen. Vielmehr könnten - theoretisch - wegen der Modernisierung mietrechtlich die Kosten sogar auf alle beteiligten Mieter umgelegt werden, was wiederum eine Mieterhöhung nach sich ziehen würde. Doch darauf verzichte die Wohnbau GmbH generell, nachdem Aufzüge modernisiert worden sind. Insofern hätten die Mieter ohnehin schon »rechnerisch einen Vorteil, daher wäre aus unserer Sicht eine Mietminderung nicht angemessen«.