Gutscheine für die Heimfahrt

Damit Sicherheit nicht am Geld scheitert: Der Magistrat prüft die Wiedereinführung des Frauennachttaxis in Gießen. Dabei wird zur Finanzierung das »Münchner Konzept« mit Gutscheinen favorisiert.
Gießen . Ein von der Stadt bezuschusstes Frauennachttaxi für Gießen. Neu ist diese Idee nicht: Schon von 1988 bis 2001 gab es ein entsprechendes Angebot. Doch wie Friederike Stibane, städtische Beauftragte für Frauen- und Gleichberechtigungsfragen, in der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Wohnen und Integration am Mittwochabend erklärte, sei das Frauennachttaxi immer weniger nachgefragt worden. Ob das am mangelnden Bedarf oder an einer Unzufriedenheit seitens der Nutzerinnen lag, sei aber nicht klar. Jedoch habe es mehrfach Beschwerden über unangemessenes Verhalten der Fahrer, aber auch wegen Unzuverlässigkeit gegeben. Weitere Gründe für die Einstellung des Angebots seien der hohe bürokratische Aufwand bei der Abrechnung der Fahrten sowie die teilweise Nichtverfügbarkeit am Wochenende gewesen.
Gutscheine als Favorit
Bald könnte es jedoch eine Neuauflage geben. Bereits 2017 hatte das die AfD gefordert, war mit ihrem Antrag in der Stadtverordnetenversammlung aber gescheitert. Im April 2022 gab es einen neuen Anlauf, die Stadtkoalition aus Grünen, SPD und Gießener Linke beschloss einen entsprechenden Prüfantrag. Nun liegt der Bericht vor, der einen Überblick über vergleichbare Angebote in anderen Städten gibt.
So setzt etwa München auf eine niedrigschwellige Gutscheinlösung: Jede Frau ab 16 Jahren kann jederzeit in den Bürgerbüros drei Gutscheine abholen. Mit ihnen zahlt sie bei Nutzung des Frauennachttaxis einen um fünf Euro verringterten Fahrpreis. Voraussetzung ist, dass die Fahrt zu einer Wohnadresse führt - die Weiterfahrt von Club zu Club soll somit verhindert werden - und zwischen 22 und 6 Uhr stattfindet. Männer dürfen nicht mitfahren, aber minderjährige Kinder. Den ausgefüllten Gutschein legt das Taxiunternehmen bei der Stadt vor, die die fünf Euro erstattet.
Das Münchner Konzept wird derzeit im Magistrat favorisiert. Sollte es tatsächlich zu einer Neuauflage des Frauennachttaxis kommen, würde dies zunächst mit einer zweijährigen Probephase starten. Diese soll laut Friederike Stibane zudem wissenschaftlich begleitet werden.
»So etwas brauchen wir nicht«, befand Dr. Klaus Dieter Greilich (FDP) in der anschließenden Diskussion. Schließlich gebe es mit den beiden Nachtbuslinien »Saturn« und »Venus« bereits ein sehr gut angenommenes »Angebot für alle Geschlechter«. Das Frauennachttaxi »war ein Reinfall, den Fehler sollten wir nicht wiederholen«.
Stefanie Kraft (SPD) gab zu bedenken, dass es unterschiedliche Formen von Belästigungen gebe. Manchmal wolle und müsse man schnell weg und brauche einen sicheren Ort - die Nachtbusse zählen ihrer Ansicht nach nicht dazu. Das sah auch Johannes Rippl (Gigg) so: »Zwischen zehn alkoholisierten Menschen im Nachtbus fühlt man sich nicht sicher.« Das sei eher ein Raum, wo weitere Taten passieren könnten.
Und auch sonst befürworteten viele Ausschussmitglieder die Reaktivierung des Frauennachttaxis. Insbesondere die Jüngeren berichteten zudem von eigenen Erlebnissen und davon, welche Umwege Menschen, vor allem Frauen, teils in Kauf nähmen, um möglichst sicher nach Hause zu kommen. Wer etwa abends in einer Gruppe feiern geht, müsse autonom entscheiden können, wann er den Heimweg antritt - und nicht darauf angewiesen sein, dass auch die Begleiter gehen.
Doch nicht nur der Heimweg selbst ist ein Problem, auch während des Feierns erleben offenbar viele Menschen Belästigungen und fühlen sich nicht immer sicher. Das hat die kürzlich veröffentlichte Umfrage des städtischen Kulturamtes zum Gießener Nachtleben ergeben (der Anzeiger berichtete). Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) betonte daher, dass das Frauennachttaxi nur eine Maßnahme von vielen seien könne, um das subjektive Sicherheitsempfinden zu stärken. Zudem seien nicht nur Frauen Ziel von Belästigungen. Solche Erlebnisse hätten »eine große Wucht« und seien für die Betroffenen sehr belastend.
Gerade für jüngere Menschen sei das Minicar ein Hauptinstrument für den Heimweg nach der Party. »Manchmal scheitert die Nutzung aber einfach am Geld.« Hier soll die Bezuschussung Abhilfe leisten. Die Ausschussmitglieder äußerten auch Bedenken, dass ein niedrigschwelliges Gutscheinangebot Missbrauch ermöglichen könnte. Melanie Tepe (Gießener Linke) hält solche Sorgen für unbegründet, schließlich garantiere der Gutschein keine Freifahrt: »Kosten für das Taxi sind immer noch da.« Auch die Einführung einer App wurde thematisiert. Dies könne eine Option für die Zukunft sein.
Eine Beschlussvorlage gibt es noch nicht. Denkbar ist laut dem Oberbürgermeister, dass das Frauennachttaxi im kommenden Jahr starten könnte. Und auch wenn nicht alle Taxiunternehmen teilnehmen, könne man es umsetzen.