Heftiger Dämpfer für Gießener »Karstadt-Familie«

Die Filiale im Seltersweg in Gießen bleibt erhalten, aber »über ein Dutzend« Mitarbeiter sollen ihren Job verlieren. Im Haus herrschen »Wut und Trauer«. Der Betriebsrat hat Widersprüche eingelegt.
Gießen (bl). Dass selbst in den »geretteten« Warenhäusern von Galeria Karstadt Kaufhof noch Personal abgebaut werden soll, war bereits angedeutet worden. »So massiv hat das aber niemand erwartet. Wir sind davon völlig überrascht worden und stehen alle unter Schock«, räumt die Betriebsratsvorsitzende Heidrun Feierabend im Gespräch mit dem Anzeiger ein. Inzwischen ist nämlich klar, dass auch im Seltersweg »über ein Dutzend« Kolleginnen und Kollegen ihren Job verlieren werden, insbesondere in den Bereichen Verkauf und Kasse - zusätzlich zu jenen im Restaurant, das zur Jahresmitte komplett geschlossen wird. Die Rede ist aktuell von circa 20 Beschäftigten. Angesichts von einer dreimonatigen Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren dürfte für sie am 30. Juni der letzte Arbeitstag sein, bestätigt Geschäftsführer Lothar Schmidt.
Die positive Nachricht liegt gerade mal zweieinhalb Wochen zurück: Gießen gehört zu den deutschlandweit 82 Filialen, die erhalten bleiben. Allerdings wird es strukturelle Veränderungen geben, bei denen unter anderem für die einzelnen Standorte mehr Eigenständigkeit vorgesehen ist und die regionale Ausrichtung gestärkt werden soll. Am Montag stimmten die Gläubiger den Plänen zu. Nun folgte ein heftiger Dämpfer. »Das macht uns sehr betroffen. Schließlich sind wir eine große Karstadt-Familie«, betont Lothar Schmidt. Und die wird in Gießen künftig noch etwa 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassen. »Zunächst geht es jetzt darum, die große Traurigkeit, die im Moment herrscht, zuzulassen und unsere Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.« Danach gelte es, sich zu sortieren und einen Weg zu finden, um sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen.
Einfach so hinnehmen möchte der Betriebsrat die Entlassungen, die auf einer »Sozialauswahl« basieren sollen, freilich nicht. Deshalb seien mit rechtlicher Unterstützung für jeden Einzelfall Widersprüche formuliert worden. Ob die von Erfolg gekrönt sein werden, könne sie nicht einschätzen, sagt Heidrun Feierabend. Seit fast 45 Jahren ist sie mittlerweile im Unternehmen, »längst läuft hier aber vieles anders und vor allem schneller«. Sie spricht von einer Stimmung, die sich »zwischen Trauer und Wut bewegt«. Denn das Haus in Gießen sei für sein »gutes Klima« bekannt, »für die starke Gemeinschaft, die nun auseinandergerissen werden soll«. Zurzeit werde noch überlegt, ob verschiedene Solidaritätsaktionen auf die Beine gestellt werden können. Die Rückmeldungen der Kunden, so Feierabend, seien jedenfalls sehr ermutigend. »Wir spüren, dass sie mit uns mitfühlen.«