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Heute nur Beratung zum Bürgerbegehren

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Von: Rüdiger Schäfer

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Die Mitstreiter der BI am Infostand im Seltersweg. Foto: Schäfer © Schäfer

Ohne Beschlussvorlage wird der Haupt- und Finanzausschuss heute Abend über das Bürgerbegehren zur Sanierung des Dammwegs beraten.

Gießen. Wie geht es weiter mit dem Bürgerbegehren zur Sanierung des Dammwegs am Schwanenteich? Nachdem die Bürgerinitiative (BI) »Rettet die Bäume am Schwanenteich« ausreichend Unterschriften gesammelt hatte, steht das Thema heute Abend auf der Tagesordnung des Haupt- und Finanzausschusses. Stadträtin Gerda Weigel-Greilich (Grüne) teilte gestern Abend auf Anfrage mit, dass ohne Beschlussvorlage zunächst beraten werden soll.

Zur Vorgeschichte: Dass Weigel-Greilich ihre Pläne zur Sanierung des Dammwegs wieder aufgriff, wollte der frühere langjährige Stadtverordnete Michael Janitzki (Linke) nicht hinnehmen. Als altgedientem Kommunalpolitiker war ihm bewusst, dass die einzige außerparlamentarische Möglichkeit, etwas auf kommunaler Ebene durchzusetzen, ein Bürgerentscheid ist. Um diesen zu erreichen, war ein Bürgerbegehren erforderlich. Janitzki gab in seinem Umfeld den Anstoß, eine Bürgerinitiative (BI) zu gründen. Die benannte sich nach ihrem Vorhaben: »Rettet die Bäume am Schwanenteich!«

Dass die damals recht kleine Gruppe ein Bürgerbegehren gegen den Beschluss des Stadtparlamentes vom 6. Oktober initiierte, bedurfte eines langen Austauschs von Pro und Contra. Am Dienstag nach dem Parlamentsentscheidung wurde der Beschluss sodann im Plenum gefasst. Allerdings beurteilte selbst Janitzki die Aussichten skeptisch. Denn alle Alt-Aktivisten vom Bürgerbegehren anno 2012 waren ein Jahrzehnt älter geworden. Jüngere Mitkämpfer konnten vorerst nicht gewonnen werden.

Der Auftakt zum Sammeln der erforderlichen Unterschriften an einem Infostand am Samstag, 15. Oktober, schien Janitzkis pessimistische Erwartung zu bestätigen. Mangels Helfern konnte der Stand lediglich drei Stunden lang besetzt werden. 130 Unterschriften wurden gesammelt.

Doch in den nächsten Tagen und Wochen entwickelte sich eine unglaubliche Eigendynamik. Die Helferschar wuchs. Und viele, die sich am Stand in die Listen eintrugen, nahmen sogleich neue Listen mit, um selbst in ihrem Umkreis für das Unterzeichnen zu werben und zusätzliche Listen an andere Gegner des Projekts weiterzugeben.

Nicht nur der Infostand im Seltersweg war an sechs Samstagen Anlaufstelle für alle, die unterzeichnen wollten. Auch insbesondere am und um den Schwanenteich, in Wieseck und der Uni-Mensa hielten sich Unterschriftensammler auf, um ihre Listen füllen zu lassen. In die Öffentlichkeit gelangte die Aktion auch durch eine Informationsveranstaltung zur sogenannten Dreier-Variante. Horst Dreier, früherer leitender Mitarbeiter der Gail’schen Tonwerke, hatte ein Sanierungskonzept entwickelt, bei dem ein Kahlschlag am Dammweg nicht erforderlich wäre. Auch eine Menschenkette an einem Sonntagmittag zur Essenszeit mit beachtlichen 130 Gegnern des städtischen Vorhabens sorgte für große Beachtung in der Presse.

In die Karten der BI spielte schließlich noch die Dramaturgie um das missglückte Abfischen des Schwanenteiches. Hinzu kamen das Hickhack um das in Zweifel gezogene Vorhandensein einer artenschutzrechtlichen Genehmigung sowie Vorgaben des Denkmalschutzes, anklagende offene Briefe, Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft, Anträge auf Akteneinsicht. Das alles trug dazu bei, dass sich mehr und mehr Bürger für das Thema interessierten.

Für Dietmar Jürgens und Gerhard Keller, zwei der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens, war bei der sechseinhalbwöchigen Sammelaktion auffallend, »dass sich viele Unterzeichner bei den Sammlern ausdrücklich für deren Engagement bedankt haben«. Jürgens: »Für mich war ergreifend, mit welcher Sorgfalt die Listen mit Grüßen versehen bei mir im Briefkasten abgegeben wurden.« Keller: »Mir wurden auf dem Weg zum letzten Abgabetermin noch zwei Listen in der Roonstraße in die Hand gedrückt. Auch das hat mir gezeigt, wie wichtig den Menschen das Thema ist. Mit so viel Herzblut für die Sache hätte ich nicht gerechnet.«

Wie geht es nun weiter? Das Quorum - die Anzahl von 3214 benötigten Unterschriften - wurde zu etwa 50 Prozent übertroffen. 5289 Gießener Bürger unterzeichneten das Begehren. Das sind acht Prozent aller Wahlberechtigten. Noch ist offen, ob die Stadtverordneten in ihrer nächsten Sitzung am 15. Dezember entscheiden, ob sie das Bürgerbegehren anerkennen oder nicht. Eile ist nicht geboten. Der Schwanenteich füllt sich wieder. Ein zweites Abfischen ist auf nächstes Jahr verschoben. So oder so könnte bei den Beschlussalternativen des Parlamentes der Kahlschlag der Teichuferseite Dammweg erst im Oktober beginnen. Denn Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) und Dezernentin Weigel-Greilich hatten öffentlich zugesagt, die mögliche Fällung der Bäume bis zu einer unbestreitbaren Entscheidung auszusetzen.

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